Nahostkonflikt:Makler dringend gesucht

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Für die Hamas inakzeptabel: Ägyptens Präsident al-Sisi (rechts), hier mit Palästinenser-Chef Mahmud Abbas. (Foto: AFP)

Ägypten soll, wie zu Mubaraks Zeiten, wieder zwischen Israel und der Hamas vermitteln. Doch Kairo kann diese Rolle nicht mehr ausfüllen, weil die Hamas dem neuen Präsidenten al-Sisi nicht vertraut - er gilt als Islamistenfresser.

Von Tomas Avenarius, Kairo

Wer weiß schon, ob Abdel Fattah al-Sisi zu den Verehrern des Reichskanzlers Otto von Bismarck zählt. Falls nicht, könnte es dem ägyptischen Staatschef dieser Tage nützlich sein, kurz nachzuschlagen, was Bismarck am 19. Februar 1878 im Berliner Reichstag über das mühselige Geschäft eines Friedensvermittlers gesagt hat: Diese Aufgabe dachte sich der Eiserne Kanzler, als Politiker fehlender Härte und mangelnder Durchsetzungsfähigkeit selbst völlig unverdächtig, als "die eines ehrlichen Maklers, der das Geschäft wirklich zustande bringen will".

Gewinnbringend wäre die Bismarck-Lektüre für Sisi, weil der ebenfalls für seine Härte und Kompromisslosigkeit bekannte Ägypter sich im Gaza-Krieg als Mediator versucht, ohne die Rolle des ehrlichen Maklers überhaupt einnehmen zu können. Der Kairoer Präsident ist ein Islamistenfresser, die in Gaza regierende Hamas aber ein Ableger der Muslimbrüder. Also jener ägyptischen Islamistenorganisation, deren gewählten Präsidenten Mohammed Mursi Sisi als Armeechef 2013 abgesetzt hat und deren Mitglieder er seitdem mit größter Härte pauschal als "Terroristen" verfolgen lässt: Der neue Herrscher ist der Erzfeind der Muslimbrüder und all ihrer Verbündeten. Die Regierung hat die Muslimbrüder und damit auch die Hamas offiziell zur Terrororganisation erklärt.

Die Sisi-Regierung wirft der Hamas vor, Kämpfer in den Untergrundkrieg zu schicken, den Dschihadisten auf der Sinai-Halbinsel gegen die ägyptische Armee führen und als Helfer der Muslimbrüder indirekt auch für zahlreiche Terrorakte in Ägypten selbst verantwortlich zu sein. Mit Katar und mit der Türkei als den besten Freunden der Muslimbrüder und der Hamas liegt Ägypten diplomatisch ebenfalls über Kreuz. Auch das verringert die Chance jeder Vermittlungsinitiative.

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Dennoch konzentrieren sich die internationalen Bemühungen um eine rasche Friedenslösung zwischen Israelis und Palästinensern reflexartig auf Ägypten als traditionellem Vermittler im Palästina-Konflikt. Kairo hat bereits einen Friedensvorschlag in Form einer Initiative für eine Feuerpause gemacht, erfolglos. Der Vorschlag wurde zwar von Israel in den Grundzügen akzeptiert, von der Hamas aber brüsk zurückgewiesen: Man habe "aus den Medien" von der Friedensinitiative erfahren. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wollte sich nun am Montag in Kairo mit Sisi treffen, um die Kriegsparteien in der ägyptischen Hauptstadt an einen Tisch zu bringen und "in Absprache mit den regionalen und internationalen Akteuren ein Ende der Gewalt und einen Weg nach vorn zu erreichen". Der ägyptische Außenminister Samih Schukry erklärte, Bans Gespräche würden sich "auf die sich verschlimmernde Lage in Gaza und den ägyptischen Waffenstillstandsvorschlag" konzentrieren. Auch US-Außenminister John Kerry machte sich auf den Weg zu Sisi.

Aber die Hoffnung auf eine zentrale Rolle Kairos bleibt vorerst Wunschdenken. Hamas traut Sisi nicht. Die Fundamentalisten sehen sich von türkischen Diplomaten oder Emissären des Emirats Katar glaubwürdiger vertreten. Der tiefe Zwist, der seit dem arabischen Frühling die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens spaltet, belastet die Friedensbemühungen für Gaza. Auf der einen Seite die "Revolutionsbefürworter" und Unterstützer der Muslimbrüder, allen voran Hamas, die Türkei, Katar und Iran. Auf der Seite der Gegenrevolution finden sich Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien oder - mit Ausnahme Katars - die Golfstaaten.

Früher war die Lage überschaubarer: Der 2011 gestürzte Staatschef Hosni Mubarak hatte Ägyptens traditionelle Rolle als Mediator ausgefüllt. Es war eine Rolle, der Kairo sich als arabischer Nachbarstaat beider Kriegsparteien nie entziehen konnte: Der Ägypter machte sich so für die Palästinenser stark, ohne die Interessen Jerusalems unbeachtet zu lassen. Er betätigte sich auch deshalb als halbwegs ehrlicher Makler, weil die ägyptische Bevölkerung leidenschaftlich Anteil am Schicksal der "palästinensischen Brüder" nahm. Mubarak hätte es sich aus innenpolitischen Gründen kaum erlauben können, das Leid der Gaza-Palästinenser zu ignorieren. Obwohl die strategischen Interessen Kairos bis heute dieselben geblieben sind, ist dies unter Präsident Sisi nun fast alles anders.

© SZ vom 22.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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