USA und Gaza:Kerrys Tour der Leiden

Zum gefühlt hundertsten Mal ist US-Außenminister Kerry nach Kairo geflogen, um im Nahostkonflikt zu vermitteln. Warum die USA Verständnis haben für Israels Waffengang in Gaza - und dennoch aufgewühlt sind über die jüngste Entwicklung.

Von David Hesse

Und wieder geht es in den Nahen Osten. Zum gefühlt hundertsten Mal. Am Montag ist Amerikas Außenminister John Kerry nach Kairo geflogen. Er will sich dort für einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen einsetzen. Kerry werde versuchen, präzisierte Dan Shapiro, der US-Botschafter in Israel, "die Ruhe zurückzubringen", die im November 2012 im Gazastreifen eingekehrt war. Damals hatten sich Israel und Hamas ebenfalls nach blutigen Kämpfen auf einen Waffenstillstand geeinigt.

Kerry will nach einem Gespräch mit Ban an diesem Dienstag mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Außenminister Samih Schukri zusammenkommen. Auf dem Programm steht außerdem eine Begegnung mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi . Am Sonntag hatte er die radikale Palästinenserorganisation für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht. "Israel wird von einer Terrororganisation belagert", sagte der Außenminister dem Sender CNN. Dass die Hamas Kidnapper und verkleidete Bombenleger durch Tunnels auf israelisches Gebiet schleuse und das Land unter Raketenbeschuss nehme, rechtfertige eine militärische Antwort: "Kein Volk kann so leben." Nun liege es an der Hamas, die Hand für eine Feuerpause zu reichen: "Sie muss einsehen, dass sie Leben retten kann, indem sie einem Waffenstillstand zustimmt." Dass die Hamas ein von Ägypten vermitteltes Angebot ausgeschlagen habe, nannte er "stur".

Auch Präsident Barack Obama hatte Verständnis für Israels neuen Waffengang in Gaza gezeigt. Am Sonntag telefonierte er zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und bekräftigte dabei Israels Recht auf Selbstverteidigung, wie das Weiße Haus danach mitteilte. Allerdings hat Obama im Gespräch auch "ernste Bedenken" angesichts der hohen Zahl der zivilen Opfer geäußert. Das bekräftigte er auch am Montag noch einmal ausdrücklich in einer öffentlichen Erklärung im Weißen Haus. In den USA haben vor allem die Bilder getöteter Kinder in Gaza heftige Diskussionen über die Verhältnismäßigkeit der israelischen Militäraktion ausgelöst. Der sind nach palästinensischen Angaben mehr als hundert Kinder zum Opfer gefallen.

"Wir verteidigen Israels Recht zu tun, was es tut."

Auch den US-Außenminister wühlten diese Zahlen sichtlich auf. Kurz vor seinem Auftritt beim konservativen Sender Fox News am Sonntag schnitt ein bereits eingeschaltetes Mikrofon mit, wie Kerry sich gegenüber einem Mitarbeiter sarkastisch über die "höllisch zielgenaue Operation" der Israelis ausließ. Als der Moderator den Außenminister in der Sendung mit der Tonaufnahme konfrontierte, hielt Kerry an seinen Worten fest: "Ich habe auf eine Weise reagiert, wie jeder es tun würde, wenn es um kleine Kinder und Zivilisten geht."

Gleich im nächsten Satz allerdings schien Kerry wieder aufräumen zu wollen mit der eigenen Empfindlichkeit. "Krieg tut weh. Ich habe es schon einmal gesagt, und ich sage es wieder: Wir verteidigen Israels Recht zu tun, was es tut." Die USA stehen Israel offiziell zu jeder Zeit unverbrüchlich zur Seite. Tatsächlich forderte der Einsatz auch amerikanische Opfer: Unter den 13 im Stadtteil Schedschaija gefallenen israelischen Soldaten vom Sonntag waren auch zwei US-Bürger: Max Steinberg aus Kalifornien und Nissim Sean Carmeli aus Texas. Beide hatten sich freiwillig für die israelischen Streitkräfte gemeldet.

Für John Kerry ist die Reise in den Nahen Osten eine Rückkehr an einen glücklosen Ort. Während seines ersten Jahrs als Außenminister hat er einen Großteil seiner Zeit und Kraft in Friedensverhandlungen in der Region investiert. So oft war er im Nahen Osten, dass andere Verbündete der USA sich vernachlässigt fühlten - vor allem Amerikas Partnerstaaten in Asien sahen das groß angekündigte "pazifische Jahrhundert" der USA schon im Stillen Ozean untergehen. Im April 2014 aber war es mit Kerrys Engagement dann erst einmal vorbei. Auf palästinensischer Seite schloss die Fatah überraschend einen Pakt mit der geächteten Hamas. Die israelische Regierung wiederum, die den Bemühungen Kerrys, gelinde gesagt, immer skeptisch gegenüber stand, erklärte, es sei nun an der Zeit, sich auf wichtigere Themen zu konzentrieren, etwa auf die iranische Bedrohung.

Für Kerry war das eine herbe Enttäuschung. Vor einem Senatsausschuss gab er Israel damals zumindest eine Mitschuld am Scheitern der Friedensgespräche. Israel habe die Freilassung von palästinensischen Gefangenen verschleppt und zudem den Bau von 700 neuen Siedlungseinheiten in den Palästinensergebieten angekündigt. Das habe die Gespräche unterlaufen: "Paff, das war wohl der Moment. Nun sind wir, wo wir sind." In Israel sorgten diese Äußerungen des US-Außenministers für einigen Unmut. Sie dürften ihm während seines erneuten Besuchs in der Region nun vorgehalten werden.

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