Südostasien:Warum die Drogenproduktion unter der Junta boomt

Lesezeit: 4 min

Alles nur Show? In der Metropole Yangon verbrannte die Militärjunta vor wenigen Tagen beschlagnahmte Drogenpakete. (Foto: Sai Aung Main/AFP)

Die Generäle in Myanmar geben vor, die Drogenindustrie zu bekämpfen. Aber die Produktion von Amphetaminen und Opium weitet sich aus. Welche Rolle spielt die Armee des Landes tatsächlich?

Von Arne Perras

Ein mächtiges Feuer loderte vor wenigen Tagen in Myanmars Metropole Yangon, schwarzer Qualm verdunkelte den Himmel, wie Videos zeigten. Entfacht wurde der Großbrand auf Befehl der Militärjunta, die das Land seit Februar 2021 beherrscht. Nach Angaben der Armee gingen dabei beschlagnahmte Drogenpakete im Wert von knapp einer halben Milliarde Dollar in Flammen auf.

Opium, Heroin, Methamphetamin, Marihuana, Ketamin, Crystal Meth - die Liste der abgefackelten Stoffe war lang. Auch in anderen Städten hatte das Militär die Vernichtung von Drogen angeordnet, das Ziel der Aktionen war unschwer zu erkennen: Hier wollte sich ein international geächtetes Regime als tatkräftiger Vorkämpfer gegen die Drogenschwemme ins Bild rücken.

Das Regime versuche, die Schuld auf andere abzuwälzen, sagt Experte Mathieson

Aber was ist dran an der vorgeführten Entschlossenheit? Unter Experten herrscht wenig Zweifel, dass die Junta weniger tut, als sie vorgibt zu tun. Der Autor David Scott Mathieson, der seit vielen Jahren die Rolle der Armee analysiert, sagt: "Ich sehe überhaupt keine Ernsthaftigkeit auf Seiten des Militärs, die Drogenproduktion und den Handel zu stoppen." Das Regime versuche vielmehr, die Schuld am Drogendesaster auf andere abzuwälzen.

Dazu passen die Worte von Generalleutnant Soe Htut, dem Innenminister der Junta. Er sagte, dass der Staat zahllose Menschen verhaftet und angeklagt habe, Drogensüchtige, Produzenten, Händler, ja sogar Kartelle - aber das habe alles nichts genützt. "Die Produktion und der Handel mit Drogen hat überhaupt nicht abgenommen." Das klang so, als tue die Armee ihr Möglichstes, aber es sei halt nichts zu machen.

Mathieson glaubt, dass das Militär auf diese Weise von der eigenen Verantwortung ablenken will. Die Armee stuft der Experte als das "ultimative Schutzkartell" der Drogenindustrie in Myanmar ein, und diese Rolle hätten die Generäle schon seit langer Zeit.

Myanmar gehört zu den wichtigsten Drogenproduzenten der Welt

So ist aus Myanmar ein Narco-Staat geworden. Das Land zählt zu den größten Produzenten von Amphetaminen weltweit, beim Opium und Heroin steht es - nach Afghanistan - an zweiter Stelle. Nach Schätzungen der UN-Drogenbehörde hat sich die in Myanmar produzierte Opiummenge seit 2020 fast verdoppelt. Und die Herstellung synthetischer Drogen schießt ebenfalls in die Höhe, was vor allem am Verfall der Marktpreise zu erkennen ist.

In Myanmar landen Süchtige teils viele Jahre lang im Knast, während Drogenbarone unbehelligt Geschäfte machen - ein Widerspruch, der auch für andere Staaten der Region gilt. Auf den Philippinen ließ der frühere Präsident Rodrigo Duterte Kleindealer und Süchtige jagen, die Syndikate aber tastete er nicht an, von seinem Nachfolger Ferdinand Marcos ist kein besserer Kurs zu erwarten.

Es ist paradox: Trotz strenger Gesetze fluten Kartelle den Markt mit Drogen

So leidet die ganze Region Südostasien unter einem Paradox: Es gibt fast überall strenge Gesetze, in einigen Staaten - allen voran Singapur und Indonesien - wird die Todesstrafe bei Drogendelikten vollstreckt. Gleichzeitig aber fluten Kartelle den Markt mit illegalen Substanzen. Zum Beispiel Yaba, ein Pille aus Methamphetamin und Koffein. Sie kostet oft nur noch einen halben Dollar, eine Dosis Crystal Meth so viel wie ein Kaffee.

Das sind Drogen, die sich Hafenarbeiter, Trucker, Rikschafahrer und Sexworker besorgen - sie alle haben harte Jobs, arbeiten viel zu viele Stunden für mickrigen Lohn. Da ist es verlockend, sich aufzuputschen, um das durchzuhalten. Auch wenn der Konsum die Gesundheit ruiniert und Millionen Familien ins Verderben führt.

Seit dem Coup, mit dem Myanmars Generäle die zivile Regierung unter Aung San Suu Kyi entmachteten, sind Fortschritte im Kampf gegen Drogen noch unwahrscheinlicher geworden. Schon deshalb, weil die legale Wirtschaft stark schrumpft und viele Bauern nur im Drogenanbau einen Weg sehen, ihre Familien zu ernähren.

Vielerorts duldet das Militär den Drogenanbau - und kassiert sogar mit ab

Außerdem hat das Militär symbiotische Beziehungen zu einigen bewaffneten Milizen in den Gebieten ethnischer Minderheiten aufgebaut, die die Ränder Myanmars bevölkern. Ein Beispiel ist der Shan-Staat im Nordosten, der riesige Mengen Drogen produziert. Die Armee hat mit Milizen vieler Völker noch keinen dauerhaften Frieden geschlossen, aber mit einigen Gruppen Waffenruhen und Deals ausgehandelt. Vereinfacht gesagt: Das Militär lässt diese Kräfte in Ruhe, im Gegenzug können in den Gegenden Drogen angebaut und produziert werden.

Ein illegales Opium-Feld im Shan-Staat im Nordosten Myanmars. (Foto: Ye Aung Thu/AFP)

Dass die Armee vielerorts die Drogenproduktion duldet und mit abkassiert, ist ein offenes Geheimnis. Wer früher durch den Vielvölkerstaat reiste, bekam das oft zu hören. Seit dem Coup können unabhängige Beobachter nicht mehr ins Land. Doch es spricht nichts dafür, dass sich das Geschäftsmodell grundlegend verändert hat. Experte Mathieson sieht "einige der schlimmsten Täter, die den Drogenhandel beschützen, unter den Offizieren des Militärs". Wie ein Bericht der UN-Drogenbehörde Anfang Juni betonte, "arbeiten die mächtigsten Schmuggelnetzwerke mit einem hohen Maß an Sicherheit, dass sie nicht gestoppt werden".

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Erschwerend kommt hinzu, dass der Drogenhandel mit anderen Formen des organisierten Verbrechens vernetzt ist, etwa mit dem Schwarzhandel von Edelsteinen und Waffen und mit Menschenschmuggel. Die Verbindungen transnationaler Syndikate reichen mutmaßlich bis in höchste Familienkreise der Junta. Nach einer Razzia in Thailand Anfang des Jahres berichtete die Agentur Reuters, dass bei einem Tycoon aus Myanmar Besitzurkunden und Bankpapiere gefunden wurden, die den erwachsenen Kindern von Juntachef Min Aung Hlaing gehörten. Waffenhändler Tun Min Latt wird vorgeworfen, in Geldwäsche und Drogenhandel verwickelt zu sein. Myanmars oberster General wiederum soll, wie das Magazin Irrawaddy berichtete, versucht haben, auf thailändische Behörden einzuwirken, damit der Name seiner Tochter aus den Prozessunterlagen verschwindet.

Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, doch die Sorge des Juntachefs ist offenkundig. Er versucht das Image der Familie reinzuwaschen, um die politische Isolation nach dem Coup irgendwann zu überwinden.

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