Mögliche Überwachung von Merkels Telefon:Das Kanzlerhandy und das Völkerrecht

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Ein Affront? Eindeutig. Aber auch ein Rechtsbruch, wie die Bundesanwaltschaft jetzt untersucht? Wenn der US-Geheimdienst wirklich das Handy der Kanzlerin angezapft hat, dann stellt sich diese Frage. Doch zu sagen, dass Spionage sich in einer rechtlichen Grauzone bewege, wäre noch eine Untertreibung.

Von Ronen Steinke

Das Handy von Angela Merkel beschäftigt nun auch die Bundesanwaltschaft. Die Karlsruher Behörde, die direkt den Weisungen des Bundesjustizministeriums untersteht, will die mutmaßliche Überwachung des Mobiltelefons der Kanzlerin durch den US-Geheimdienst NSA prüfen. Dabei stellen sich den Juristen heikle Fragen. Geht es hier um einen handfesten Bruch des Völkerrechts, lässt sich gar eine Straftat festhalten?

Wenn es stimmt, dass die USA Merkels Handy abgehört haben, wäre dies dann ein Bruch internationalen Rechts?

Das Abhören fremder Regierungen nennt man Spionage. Zu sagen, dass sich Spionage in einer rechtlichen Grauzone bewege, wäre noch eine Untertreibung. Spionage liegt in rechtlichem Niemandsland: (Fast) alle Staaten tun es, aber niemand spricht darüber. Und noch nie ist es selbst unter eng befreundeten Staaten deshalb dazu gekommen, dass zwei sich gegenseitig offiziell versprochen hätten: "Spionierst du nicht, dann spioniere auch ich nicht."

Es gibt kein einziges offizielles zwischenstaatliches Abkommen, das Spionage ächten würde, auch wenn die FDP ein solches "No-Spy-Abkommen" jüngst gefordert hat. Deshalb stellt ein Akt der Spionage keinen Bruch internationalen Rechts dar. Spionage ist nicht völkerrechtswidrig - nicht einmal, wenn sie sich gegen einen Staatschef persönlich richtet.

Gibt es unter Bündnispartnern ein Spionageverbot?

Was es gibt, das sind - rechtlich unverbindliche - Selbstverpflichtungen. Der Bundesnachrichtendienst zum Beispiel gibt an, dass man befreundete Staaten wie die USA nicht ausspioniere. Wie streng er sich an diesen Schwur hält? Das lässt sich kaum kontrollieren. Und ein Anspruch darauf, dass es die USA umgekehrt genauso halten, besteht zumindest völkerrechtlich nicht. Gepflogenheiten, Umgangsformen, politischer Anstand unter Freunden: Mit der Justiz ist dieser Affäre nicht beizukommen.

Auf welches Gesetz könnte sich die NSA bei einer solchen Spionage-Aktion stützen?

Das amerikanische Recht hält den US-Geheimdienst NSA an einer denkbar langen Leine. Nicht anders als in europäischen Staaten gilt auch hier, dass die Geheimdienstler eine Einmischung ihrer nationalen Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht ernsthaft fürchten müssen, sondern allenfalls die politische Kontrolle durch Parlamentsgremien und die Regierung. Diese Kontrolle ist nicht sehr scharf: Schon als öffentlich wurde, dass US-Geheimdienstler die UN-Zentrale in New York abgehört hatten, fiel die Aufregung im politischen Washington gering aus.

Könnte Deutschland die US-Spione bestrafen?

Das Völkerrecht mag in Sachen Spionage zahnlos sein, das innerstaatliche Strafrecht ist es nicht. Obwohl fast alle Regierungen Spionage betreiben, verbitten sie sich auch fast alle Staaten - mit strafbewehrter, von nationalen Gerichten garantierter Härte. So können die deutschen Behörden, wenn sie einen ausländischen Spion erwischen, zum Beispiel eine Anklage nach Paragraf 99 des Strafgesetzbuchs veranlassen: Wer "für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt" kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis belegt werden.

Ein eher theoretisches Szenario? Ja. Dazu müssten die Deutschen genau wissen, wer bei Merkels Handy mithorcht, mit hieb- und stichfesten Beweisen, und sie müssten ihn oder sie vor allem in Deutschland zu fassen kriegen.

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