Ministerpräsidentenkonferenz:Bund und Länder einigen sich auf Nachfolger für Neun-Euro-Ticket

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Haben sich in Streitfragen geeinigt: Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (links) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Das Angebot, mit dem man überall im Land den Nahverkehr nutzen kann, soll 49 Euro kosten - und unter dem Namen "Deutschlandticket" vertrieben werden. Auch bei anderen Streitpunkten haben sich der Kanzler und die Ministerpräsidenten geeinigt.

Für Millionen Fahrgäste kommt im kommenden Jahr ein bundesweites 49-Euro-Monatsticket für Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr. Bund und Länder einigten sich über offene Finanzierungsfragen. Geplant ist ein digitales, bundesweit gültiges "Deutschlandticket" zu einem Einführungspreis von 49 Euro pro Monat im monatlich kündbaren Abonnement. Das Ticket solle schnellstmöglich eingeführt werden. Ob ein Start Anfang des Jahres klappt, ist aber offen.

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:Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann: "Wir wollen die Leute nicht betrügen"

Diesen Mittwoch entscheidet sich bei einem Bund-Länder-Gipfel, ob die Deutschen von Januar an wieder bundesweit billiger Bus und Bahn fahren können. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann spricht sich für das Ticket aus - aber nur, wenn die erhofften Milliardenhilfen kommen.

Interview von Markus Balser

Bundeskanzler Olaf Scholz und Vertreter der Länder haben die Einigung bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Der Kanzler sagte, man habe sich mit den Ländern untergehakt und zeige den Bürgerinnen und Bürgern so, dass man zusammenarbeite, um Probleme zu lösen. Bei der Bewältigung der aus dem russischen Angriffskrieg resultierenden finanziellen Lasten werde die Regierung die Menschen in Deutschland unterstützen. "Dazu sind die wichtigsten Parameter jetzt festgelegt", so Scholz.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, wegen einer guten Vorbereitung habe man zum Teil über Monate schwelenden Konflikte zwischen Bund und Ländern diesmal "abräumen" können. "Heute war es ein gutes Treffen. Das waren Kompromisse, die uns schwergefallen, aber die Gesamteinigung ist vertretbar", so Weil.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte, es sei wichtig, dass die Verhandlungen jetzt zu einem Abschluss gekommen seien, die Länder hätten sich schon früher eine solche Einigung gewünscht. "Heute gibt es deutlich mehr Klarheit", so Wüst.

Die Einigung beim ÖPNV sieht vor, dass Bund und Länder sich die Kosten für das 49-Euro-Ticket von insgesamt drei Milliarden Euro im Jahr teilen. Die Länder hatten eine Erhöhung der sogenannten Regionalisierungsmittel von diesem Jahr an zur Bedingung gemacht, dass sie ein 49-Euro-Ticket mitfinanzieren. Der Bund hatte vor den Beratungen mit den Ländern angeboten, diese Mittel zu erhöhen. Mit den Regionalisierungsmitteln bestellen die Länder Bahn- und Busverbindungen bei den Verkehrsunternehmen.

Die Verkehrsminister von Bund und Ländern hatten sich Mitte Oktober grundsätzlich auf ein 49-Euro-Ticket als Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket aus dem Sommer verständigt. Finanzfragen waren aber noch offen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte gesagt, eine Einführung des 49-Euro-Tickets zum 1. Januar solle das Ziel sein.

Startdatum ungewiss

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann bezweifelte aber, dass das 49-Euro-Ticket im Januar kommt. Der Grünen-Politiker sagte den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (NBR), möglicherweise komme es erst am 1. März oder 1. April. Die Umsetzung sei aufwendig. Der Länderanteil in Höhe von 1,5 Milliarden Euro müsse in den Haushalten der Länder verankert werden. Im Gespräch mit der SZ wies Hermann zudem darauf hin, dass Automaten umgestellt, Tarifsysteme angepasst und Gremienbeschlüsse gefasst werden müssten.

Das millionenfach gekaufte Neun-Euro-Ticket hatte im Juni, Juli und August für je einen Monat Fahrten in Bus und Bahn ermöglicht. Die Verkehrsminister planen für den 49-Euro-Nachfolger eine Einführungsphase von zwei Jahren. Ab dem zweiten Jahr könnte das Ticket teuer werden. Geplant ist eine "Dynamisierung" in Form eines automatischen Inflationsausgleichs.

Mit Blick auf die Einigung bei der Finanzierung des ÖPNV abseits des "Deutschlandtickets" sprach Wüst vom "absoluten Minimum", um den öffentlichen Nahverkehr am Laufen zu halten. Andere Kollegen würden das noch kritischer sehen, meinte Wüst. "Das beste Ticket hilft am Ende nicht, wenn der Bus nicht mehr kommt."

Der Kanzler und die Ministerpräsidenten haben sich außerdem über die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen zur Abmilderung der hohen Energiepreise geeinigt. Bund und Länder einigten sich, dass die Länder einen Teil der Entlastungen mitfinanzieren, etwa die Ausweitung des Wohngelds. Dafür erhalten sie im Gegenzug mehr Geld für den Nahverkehr und die Unterbringung von Flüchtlingen.

Scholz unterstrich, dass die Verbraucher und Unternehmen durch die geplanten Gas- und Strompreisbremsen entlastet würden. Noch keine Einigung erzielte die Bund-Länder-Runde bei den Härtefallregelungen für kleine und mittlere Unternehmen, die besonders stark unter hohen Energiekosten leiden. "Wir sind uns einig, dass es eine Härtefallregelung geben muss", sagte Wüst. Es fehle aber noch eine Vereinbarung, wer die Kosten trage. Die Bundesregierung hatte vorgeschlagen, dass sich Bund und Länder die Kosten von bis zu zwei Milliarden Euro zur Hälfte teilen.

Das Bundeskabinett wird am 18. November über die Gas- und Strompreisbremse entscheiden. Wüst appellierte an den Bund, die Bremse früher greifen zu lassen, um die Winterlücke im Januar zu schließen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident spielt darauf an, dass bei den Gaspreisen im Januar derzeit keine Entlastung geplant ist, bevor die ab März geplante Gaspreisbremse greift. Die Bundesregierung prüft eine Rückwirkung ab Februar.

Der Bund beteiligt sich mit zusätzlichen Mitteln in Milliardenhöhe bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Für das laufende Jahr wolle der Bund zusätzliche 1,5 Milliarden Euro für die Versorgung von Geflüchteten zur Verfügung stellen, so Scholz. Bisher hatte der Bund den Ländern für das laufende Jahr zwei Milliarden Euro für die Versorgung von Ukraine-Flüchtlingen zugesagt. Für das kommende Jahr wolle der Bund noch einmal 1,5 Milliarden Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen bereitstellen, sagte Scholz. Für Menschen aus anderen Ländern als der Ukraine, die in Deutschland Schutz suchten, wolle der Bund 1,25 Milliarden Euro geben.

Bei der Reform des Wohngeldes teilen sich Bund und Länder auch in Zukunft die Kosten. Wegen der hohen Energiepreise soll der staatliche Mietzuschuss zum 1. Januar reformiert werden: Er soll dann um durchschnittlich 190 Euro pro Monat steigen. Außerdem soll er an 1,4 Millionen Bürger mehr gezahlt werden als bisher. Dabei entstehen Mehrkosten von mehr als fünf Milliarden Euro. Ursprünglich wollten die Länder diese nicht mittragen. Nun bleibt es dabei, dass das Wohngeld je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert wird.

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