Merkels Führungsstil:CDU-Senioren fordern "Corpsgeist"

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Hilfe für Merkel: Verteidigungsminister Guttenberg sieht eine "führungsstarke Kanzlerin", die FDP stellt sich vor die CDU-Chefin. Doch Merkels Kritiker legen nach.

Der Streit um den Führungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel geht in eine neue Runde. Nach der innerparteilichen Kritik erhält die CDU-Vorsitzende Unterstützung aus dem Unionslager.

Sieht sich innerparteilicher Kritik ausgesetzt: die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Die Aufnahme entstand im Dezember (Foto: Foto: AP)

In der ARD bescheinigte ihr Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg einen "exzellenten Führungsstil" und sagte: "Sie ist eine führungsstarke Kanzlerin und eine, die die Koalition bestens im Griff hat." Mit Blick auf die wochenlangen Streitigkeiten in der Koalition sagte er: "Es ist völlig normal, (...) dass es am Anfang etwas ruckeln kann, dass es gelegentlich auch mal knirscht."

Im ZDF riet der CSU-Politiker zu mehr Sachlichkeit. "Wir sollten alle relativ gelassen und unaufgeregt jetzt diese nächsten Wochen angehen. Wir haben genügend Themen zu beackern. Und das sollte man nicht mit einem schrillen Ton machen."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte dem MDR: "Ich richte mich vor allem gegen den Stil (...). Natürlich ist jeder Diskussionsbeitrag über die Linie einer Partei in Ordnung, aber wenn man es auf diese Weise öffentlich macht, führt es eher dazu, dass die Diskussion erstickt, als dass sie belebt wird."

Die CDU-Fraktionschefs aus Hessen, Sachsen und Thüringen, Christean Wagner, Steffen Flath und Mike Mohring, sowie die brandenburgische Vize-Vorsitzende Saskia Ludwig warfen Merkel in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen "präsidialen Stil" vor.

Müller fordert klare Strategie

Im Bundestagswahlkampf sei sie nicht als Spitzenkandidatin der Union, sondern als Kanzlerin der großen Koalition aufgetreten. "Die Regierungsmehrheit für CDU/CSU und FDP war nicht das Ergebnis einer überzeugenden Wahlkampfstrategie. Vielmehr hatte die Union schlichtweg Glück."

Dazu sagte de Maizière im MDR: "Ohne die Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten wir nicht im Traum dieses Ergebnis gehabt." Der CDU- Vorstand will am kommenden Donnerstag und Freitag in einer Klausur das schwache Bundestagswahl-Ergebnis analysieren.

Sachsens CDU-Fraktionschef Steffen Flath, einer der Autoren des Merkel-kritischen Zeitungsbeitrags, verteidigte diesen und den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Er sehe sich nicht als Rebell, er habe aber das Gefühl, dass er vielen durchaus aus dem Herzen gesprochen habe, sagte er der Leipziger Volkszeitung.

"Ich halte den Zeitpunkt am Beginn einer Legislatur zur Weichenstellung in der CDU für sehr geeignet." Ziel sei es, eine Diskussion in der CDU in Gang zu bringen, "um die Ursachen unseres unbefriedigenden Wahlergebnisses zu analysieren".

Von Saarlands Regierungschef Peter Müller kamen andere Töne: Der CDU-Politiker forderte von der Parteiführung eine klare Strategie, wie die Stellung der Partei wieder gestärkt werden könne. "Die entscheidende Frage für die CDU ist: Wie erhalten wir den Anspruch aufrecht, Volkspartei zu sein?", sagte er dem Handelsblatt.

Bei allen Wahlen im vergangenen Jahr mit Ausnahme in Sachsen sei die CDU nur zwischen 30 und 35 Prozent gelegen, in Brandenburg sogar weit darunter. "Unser Thema muss sein: Was müssen wir tun, damit wir wieder 40 plus X erreichen? Nur dann kann der eigene Anspruch, Volkspartei zu sein, aufrechterhalten werden."

Senioren-CDU: Parteispitze soll sich öfter Basis stellen

Der Chef der Senioren-Union, Otto Wulff, forderte stärkere Geschlossenheit in der CDU. "Mir fehlt die innerparteiliche Solidarität. Wir brauchen wieder diesen Corpsgeist, der uns als CDU immer ausgezeichnet und stark gemacht hat", sagte Wulff der Rheinischen Post.

Das CDU-Vorstandsmitglied kritisierte die Parteiführung scharf, allerdings ohne Namen zu nennen. "Manche an der Spitze haben vergessen, dass es die Unterstützung der Basis war, die sie an diese Stelle gebracht haben." Die Parteiführung müsse sich wieder stärker den Diskussionen vor Ort stellen, so Wulff.

Zuspruch erhielt Merkel hingegen vom Vorsitzende der Jungen Gruppe im Bundestag, Marco Wanderwitz. Der CDU-Abgeordnete wies Forderungen nach einem strafferen Führungsstil Merkels zurück. "Wenn Angela Merkel Diskussionen durch ein Machtwort abwürgen würde, würden wir als Kanzlerwahlverein bezeichnet. Da ist mir die derzeitige Variante deutlich lieber", sagte er der Berliner Zeitung.

FDP sieht keinen Bedarf für schwarz-gelben "Neustart"

Der "Basta-Stil" sei Regierungsparteien in der Vergangenheit nicht wirklich bekommen. Die SPD habe zu Gerhard Schröders Zeiten genauso darunter gelitten wie die CDU unter manchen Vorfestlegungen von Helmut Kohl. "Es ist offenbar Angela Merkels Stil abzuwarten, wie Dinge sich entwickeln und nicht zu jedem Thema gleich ihre Meinung zu sagen. Sie ist damit in der Vergangenheit nicht schlecht gefahren und die Union auch nicht."

Auch aus der Schwesterpartei erhielt Merkel Unterstützung. "Ich empfinde es als angenehm, dass Angela Merkel Konflikte intern klärt und durch Argumente überzeugt, nicht durch Basta-Mentalität und Gockel-Gehabe", sagte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) in Berlin. "Das ist moderne Führung."

Zuspruch bekam die CDU-Chefin auch von den Freidemokraten. Wir haben keinen Anlass, an der Bundeskanzlerin oder an dem Bundesfinanzminister Kritik zu üben", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner der Neuen Westfälischen.

Zugleich wandte sich Lindner gegen Kritik am Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition: "Ich sehe in der Sache keinen Grund für einen solchen Neustart. Wir haben uns mit dem Koalitionsvertrag schon auf einen Fahrplan verständigt."

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe will laut Handelsblatt das christliche Wertefundament seiner Partei künftig wieder stärker in den Mittelpunkt der CDU-Politik stellen. "Ganz wichtig ist mir die Schärfung unseres Profils als Partei, deren Politik auf christlichen Wertvorstellungen beruht."

Der CDU-Bundesvorstand werde daher bei seiner Klausur am Donnerstag und Freitag mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, und mit der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann diskutieren. Das sei eine ganz bewusste Entscheidung. "Wir hätten ja auch einen prominenten Manager einladen können."

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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