Coronavirus:Merkel ist nicht schwach, sondern realistisch

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Der Auftritt der Kanzlerin zur Corona-Krise ist nicht der große Befreiungsschlag, der alles ändert. Schlimm? Nein. Was wirklich zählt: Besonnenheit und Entschlossenheit.

Kommentar von Henrike Roßbach, Berlin

Und sie redet doch. Just in dem Moment, als die Ersten dazu ansetzten, mehr Führung durch die Kanzlerin in der Corona-Krise zu verlangen, hat sich Angela Merkel an die Öffentlichkeit gewandt. Sekundiert von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem Chef des Robert-Koch-Instituts sprach sie am Mittwoch zur Lage der Dinge - und die ist auch aus ihrer Sicht nicht rosig.

Parallelen zur großen Finanzkrise drängen sich nicht nur wegen der fallenden Börsenkurse und der im Eilverfahren beschlossenen Hilfen für die Wirtschaft auf. Sondern auch in Erinnerung an den Auftritt von Merkel und ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück im Oktober 2008. "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind", sagte die Kanzlerin damals, und die Bürger glaubten ihr.

Der Run auf die Banken blieb aus. Merkels Auftritt mit Spahn am Mittwoch zeigt, dass sie auch die Corona-Krise sehr ernst nimmt. Der Paukenschlag-Moment à la 2008 aber, den manch einer sich vielleicht erhofft hatte, war nicht dabei.

Die Frage ist: Ist das schlimm? Antwort: Nein, ist es nicht.

Inzwischen wissen die Experten einiges über das Virus, aber nicht alles. Es gibt keine Impfung, kein Medikament. Darauf wies auch Merkel hin, auf die vielen Unbekannten in dieser Krise. "Wir werden das, was notwendig ist, tun", sagte die Kanzlerin, und das war realistisch betrachtet auch das Maximum dessen, was sie seriös versprechen kann.

Die Sehnsucht nach dem Befreiungsschlag, dem ganz großen Durchgreifen, gibt es in jeder schweren Krise, und sie ist verständlich. Dennoch ist sie eine Illusion. Krisenmanagement ist kleinteilig und ein lernendes System. Merkel, ganz Naturwissenschaftlerin, erklärt das aktuelle Handeln der Politik als Abfolge sich logisch ergebender Schritte: Weil das Virus pandemisch ist, werden sich 60 bis 70 Prozent der Deutschen infizieren. Weil es besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen gibt, darf das Gesundheitssystem nicht überlastet werden. Um es nicht zu überlasten, muss man Zeit gewinnen, und um diese Zeit zu gewinnen, müssen Großveranstaltungen ausfallen. Parallel wird die Wirtschaft gestützt, und über allem steht: "Besonnenheit und Entschlossenheit".

Dass Deutschland noch nicht abgeriegelt ist und dass noch keine milliardenschweren Konjunkturpakete geschnürt wurden, ist kein Zeichen politischen Versagens. Die Kurzarbeitsregeln, die angekündigten Liquiditätshilfen für Unternehmen, die Absage großer Veranstaltungen, Geld für die Entwicklung von Corona-Medikamenten: Das alles zeigt, dass die Krise angemessen ernst genommen wird. Dass die Regierung bereit ist, sich außerhalb von Business-as-usual zu bewegen, zeigt zudem Merkels Hinweis zur Haushaltspolitik in der Krise: "Wir werden nicht jeden Tag fragen: Was macht das mit unserem Defizit."

Die Ratschläge, das machte die Kanzlerin bei ihrem Auftritt deutlich, werden sich im Laufe der Zeit noch ändern. Das zuzugeben, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Realismus. Darüber hinaus hat Merkel mit ihrem Auftritt noch ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Signal gesendet: dass sie mit an Bord ist. Und das erinnerte dann doch an 2008.

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