Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern:In Schwesigs Schatten

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Michael Sack bleibt im Wahlkampf blass und steuert als Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern auf ein schwaches Ergebnis zu. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Die SPD und ihre Ministerpräsidentin dürfen bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern auf einen klaren Sieg hoffen. Ihr Konkurrent von der CDU ist vielen unbekannt.

Von Peter Burghardt, Hagenow

Die Ministerpräsidentin und Wahlfavoritin in Mecklenburg-Vorpommern ist da, das weckt in Hagenow natürlich Interesse. Es gibt Waffeln und Rosen am SPD-Stand, und Manuela Schwesig führt Gespräche. Mit einem NPD-Funktionär hat sie auf diesem Wochenmarkt eher nicht gerechnet, aber nicht mal der bringt sie groß aus der Balance.

Auf einmal steht Udo Pastörs vor ihr, ein aktenkundiger Rechtsradikaler, und erzählt irgendwas von Schulden. "Sie behaupten falsche Sachen und reden dazwischen", sagt Schwesig so ruhig wie möglich, als sie dem Mann die Lage kurz erklärt hat. "Sie stören hier", das sehen die meisten Zuhörer genauso, der Zwischenfall bleibt eine bizarre Anekdote am sonnigen Vormittag.

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Der Mittwoch in Hagenow, 30 Kilometer südwestlich von Schwerin. 12 000 Einwohner, Plakate kündigen für Anfang Oktober den "Tanz in die Einheit" an. Vorher absolviert die Spitzenkandidatin der SPD auf dem Kopfsteinpflaster einen ihrer letzten Termine in diesem Wahlkampf. Gewählt wird am 26. September ja nicht nur der Bundestag, sondern auch der Schweriner Landtag.

Seit 1998 regieren die Sozialdemokraten Mecklenburg-Vorpommern, seit 2006 gemeinsam mit der CDU, seit 2017 unter Leitung von Manuela Schwesig, 47 Jahre alt. Die vormalige Bundesfamilienministerin zog in die Staatskanzlei ein, als ihr Vorgänger Erwin Sellering erkrankt war, später musste sie selbst gegen den Krebs kämpfen, jetzt steht die Amtsinhaberin vor ihrem ersten Wahltriumph.

Manuela Schwesig ist so populär und selbstsicher wie nie

Alle Umfragen sagen ihrer SPD einen klaren Sieg voraus, es könnte einer der größten Erfolge der Partei in dieser Region überhaupt werden. Laut den Erhebungen von Infratest-dimap und Insa aus der vergangenen Wochen liegt die SPD bei 40 Prozent, himmelweit vor dem Rest. Um Platz zwei streiten sich die AfD (15 bis 18 Prozent) und die immer tiefer abgestürzte CDU (15 bis 18 Prozent), dahinter folgen die Linken (10 bis 11 Prozent). Grüne (6 bis 7 Prozent) und FDP (5 bis 6 Prozent) könnten es wieder ins Landesparlament schaffen.

In dieser Hochstimmung absolviert Manuela Schwesig auch diesen Auftritt zwischen Metzgerwagen ("Hau' mich in die Pfanne") und Bäckerei, ehe es weitergeht zum Treffen mit Seniorinnen und Senioren in Waren an der Müritz. Ein paar Schülern in Hagenow empfiehlt die Regierungschefin einen Faktencheck, sie haben sich in ihrer Freistunde offenbar vorher bei der NPD umgehört und stellen Fragen zu den Ausgaben, ehe Pastörs aufkreuzt. Schwesig berichtet, dass Mecklenburg-Vorpommern mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Schulen gesteckt habe. Danach lobt sie die Jugendlichen für ihr Verhalten in der Pandemie, mit viel Homeschooling: "Ich bin ganz stolz auf euch. Ihr habt geholfen, Leben zu retten." Aber Präsenzunterricht sei doch besser, oder?

Lehrermangel, Engpässe bei der Digitalisierung und auch der Rechtsradikalismus gehören zu den Problemen im schönen Bundesland an Ostsee und Seenplatte. In der Pandemie dagegen ist die Bilanz der Krisenmanagerin Schwesig gut, und ihre offene, zugewandte Art kommt an. Die Landesmutter ist so populär und selbstsicher wie nie.

Von ihrem Rivalen aus der CDU kann man das nicht behaupten. Für dessen Union ging es in diesem Revier zuletzt noch steiler bergab als anderswo, viele Wähler kennen diesen Michael Sack nicht einmal. Er ist 48 Jahre alt und Landrat in Vorpommern - Landesvorsitzender und Spitzenkandidat wurde er nur, weil andere zurückzogen, darunter Philipp Amthor wegen seiner Lobbyaffäre.

Der CDU-Spitzenkandidat warnt vor Rot-Rot-Grün, doch das zieht offenbar nicht

Am Dienstagabend stand der unbekannte Herr Sack zwischen Prominenten aus der Partei auf einer Bühne in Stralsund. Bundeskanzlerin Angela Merkel war da, sie hatten diesen Wahlkreis stets gewonnen und warb nun für ihren jungen Nachfolger Georg Günther, Kanzlerkandidat Armin Laschet und Amthor, der Gefahr läuft, sein Bundestagsmandat in Merkels Nachbarwahlkreis zu verlieren.

Es goss in Strömen, Sack hielt die Begrüßungsrede. Es ging, klar, auch um die Farbe Rot. Jeder wisse, dass die SPD nicht zögern werde, um nach der Wahl Bündnisse mit den Grünen und den Linken einzugehen, so der CDU-Bewerber. Die große Koalition habe Manuela Schwesig nur geerbt. Wenn es rechnerisch reiche, meint Sack, stünden "die Weichen auch auf Rot-Rot-Grün in diesem Land".

So richtig zu ziehen scheint das nicht, Manuela Schwesig kann sich ihren nächsten Koalitionspartner voraussichtlich aussuchen. Noch sagt sie zu ihrer Präferenz nichts. Mit dem Juniorpartner CDU kam sie zurecht, mit den Linken war die SPD lange vor ihrer Ära auch mal zusammen. In Hagenow spricht sie mit den Leuten auf dem Marktplatz über Renten, Arbeit, Löhne, Impfen oder die Präferenz für 3 G und bittet um Stimmen, "wir haben nichts zu verschenken".

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