Ex-Verfassungsschutzchef:Maaßen sieht Versäumnisse bei deutscher Migrationspolitik

Lesezeit: 2 min

Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (Foto: dpa)
  • Der wegen einer problematischen Äußerung in den vorzeitigen Ruhestand versetzte Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen liefert eine Art Abrechnung.
  • In einem Interview mit dem ungarischen Staatsfernsehen kritisiert er die Migrationspolitik der Bundesregierung.

Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beklagt in einem Interview erhebliche Versäumnisse in der Migrationspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union.

Maaßen gestand zwar ein, dass die Zahl der Asylsuchenden sich enorm verringert hat. "Aber die Schleuse ist immer noch offen, auch wenn weniger reinkommen", formulierte Maaßen gegenüber dem ungarischen staatlichen Fernsehsenders M1.

Im September 2018 war Maaßen in die Kritik geraten. Er hatte bezweifelt, dass es in Chemnitz während Protesten nach einem Tötungsfall zu Hetzjagden gekommen war. Die Äußerung sorgte für Empörung, da es von den rassistischen Angriffen Videos gab. Innenminister Horst Seehofer (CSU) wollte Maaßen zunächst nicht entlassen, sondern nach starkem öffentlichem Druck befördern. Der Fall sorgte für eine Krise der großen Koalition. Im November versetzte Seehofer Maaßen in den einstweiligen Ruhestand.

Innenminister Seehofer
:Ausgesprochen zufrieden mit sich selbst

Der CSU-Politiker findet, er und sein Ministerium hätten im ersten Jahr der großen Koalition gute Arbeit geleistet. Innenpolitisch sei das Jahr verschenkt gewesen, sagt hingegen die Opposition. Kritik kommt auch aus der Union.

Von Constanze von Bullion

Pikant an dem aktuellen Interview ist, dass Maaßen es einem zu einer staatlichen ungarischen Medien-Holding gehörenden Fernsehsender gab, der als Propagandasender für den nationalkonservativen Regierungschef Viktor Orbán gilt. Die CSU hatte lange gezögert, Orbán und seine Fidesz-Partei innerhalb der gemeinsamen europäischen Parteienfamilie EVP deutlich zu kritisieren. Der Ungar ist einer der schärfsten Kritiker der Migrationspolitik der Bundesregierung.

Das etwa 25 Minuten lange Interview wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bereits am Montag ausgestrahlt. Es kann in weiten Teilen auch als Abrechnung mit dem Migrationskurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewertet werden. Es bestehe nach wie vor ein großer "Einwanderungsdruck" nach Europa und Deutschland vom Mittleren Osten und von Afrika aus, sagte Maaßen. Ihm sei schon 2015 klar gewesen, dass eine derart große Zahl von Menschen nicht ohne Weiteres in Deutschland werde integriert werden können, sagte Maaßen. Er sehe mit großer Sorge, dass vielleicht in diesem Sommer, im Herbst oder im nächsten Jahr noch wesentlich mehr Menschen nach Europa und Deutschland kommen könnten. Die EU müsse ihre Grenzen gegenüber denen verschließen, die nur aufgrund von Armut geflüchtet sind. "Wir können nicht alle Menschen auf der Welt aufnehmen." Er erkenne jedoch nicht, dass der Schutz der EU-Außengrenzen funktioniere oder die Grenzschutz-Agentur Frontex sowie die nationalen Grenzbehörden Maßnahmen ergriffen hätten, um Europa und damit mittelbar auch Deutschland zu schützen.

Er sei 2015 davon ausgegangen, dass unter den Migranten auch Menschen gewesen seien, die für den IS oder andere dschihadistische Terrorgruppen gekämpft hätten, sagte Maaßen. Dies sei Anlass zu großer Sorge gewesen. Vor diesem Hintergrund habe er jede Gelegenheit genutzt, dies anzusprechen. Maaßen war seine kritische Haltung gegenüber der Migrationspolitik der Kanzlerin von Teilen der Regierung schwer angekreidet worden.

Scharf kritisierte Maaßen die Maßnahmen zur Abschiebung abgelehnter Asylsuchender. Insgesamt sei die Abschiebepolitik in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten ein Desaster. Es gebe viele, die an der Verhinderung von Abschiebung und an Asylsuchenden verdienten - dies müsse offen ausgesprochen werden. Zugleich warnte er vor dem Entstehen von Parallelgesellschaften. Es gebe in Deutschland eine Integration nicht in die deutsche, sondern in die arabische, türkische oder salafistische Gesellschaft.

Das gesellschaftliche Klima in Deutschland habe sich in den vergangenen Jahren zum Schlechteren verändert, beklagte Maaßen. Viele Menschen, die früher zur bürgerlichen Mitte gezählt worden seien, hätten sich der rechten AfD zugewandt. Dies führe zu einer Erosion des Vertrauens in das Parteiensystem und zu einer Abkehr von der Demokratie. Es erfülle ihn mit Sorge, dass diese Entwicklung nicht gestoppt sei, sondern weitergehe.

© SZ.de/dpa/jsa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ex-Chef des Verfassungsschutzes
:Maaßen kritisiert Merkel-Kurs der CDU

Der ehemalige Verfassungsschützer positioniert sich gegen die Politik der Bundeskanzlerin. Die CDU sei eine konservative Partei - und kein Kanzlerwahlverein.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: