Deutschland und Frankreich:Prototyp für die Luftschlacht von übermorgen

Lesezeit: 3 min

Das "Future Combat Air System", kurz "FCAS", in einer computergenerierten Simulation. (Foto: Airbus)

Lange hatte es gehakt, nun steht Europas größtes Rüstungsvorhaben offenbar kurz vor der Entwicklung: Mit "FCAS" wollen Deutschland und Frankreich zu den modernsten Luftwaffen der Welt aufschließen.

Von Joachim Käppner und Paul-Anton Krüger, Berlin

In Videosimulationen hat FCAS schon abgehoben und verteidigt Europas Luftraum gegen "red fighters", eine feindliche Luftwaffe, die nicht zufällig gewisse Ähnlichkeiten mit der russischen aufweist. Das Future Combat Air System ist nicht nur ein Kampfjet der - noch zu entwickelnden - sechsten Generation, sondern ein ganzes Luftkampfsystem. Es arbeitet vernetzt mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern, bezieht elektronische Kriegführung und künstliche Intelligenz ein. Mit FCAS wollen Deutschland, Frankreich und Spanien ein Hightech-System entwickeln, das ihre Luftwaffen mit den modernsten der Welt gleichziehen lässt.

Noch ist das Science-Fiction. Wirklich abheben soll FCAS erst von 2040 an. Europas größtes Rüstungsvorhaben wurde schon 2017 von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel beschlossen, doch dann hakte es lange: Die beteiligten Unternehmen, allen voran der französische Konzern Dassault und der deutsche Projektpartner Airbus, stritten um Rechte am geistigen Eigentum und Anteile an der Entwicklung. Die Politik vermochte das lange nicht zu durchbrechen. Frankreich zeigte sich zuletzt überdies irritiert von der Entscheidung der Bundesregierung, in den USA den Tarnkappenjet F-35 zu kaufen.

Das Gefühl der Dringlichkeit ist jetzt da

Jetzt aber sollen die Entwicklungsarbeiten für einen Prototypen beginnen. "Wir sind sehr optimistisch, dass der erste Schritt nun umgesetzt werden wird", sagte ein hoher Vertreter von Airbus der Süddeutschen Zeitung. "Vor Russlands Angriff auf die Ukraine gab es bei den Regierungen kein Gefühl der Dringlichkeit. Das hat sich nun dramatisch geändert." In Regierungskreisen heißt es, politisch seien sich Paris und Berlin einig, die nötigen Verträge zwischen den Unternehmen sollten in Kürze geschlossen werden. Aus französischen Militärkreisen hieß es, dies könne womöglich schon bis Sonntag geschehen; bereits im Dezember erwarte man dann die Bestätigung der Regierungen.

Aus Sicht der Industrie liegen die technischen Lösungen auf dem Tisch, man könne starten. Dabei geht es um die Phase 1 B, die Vorentwicklung von Prototypen. An deren Ende sollen zwei Demonstratoren stehen, die im Jahr 2028 fertig sein könnten. Der zweite Demonstrator war lange Streitpunkt - Airbus soll ihn nun zusammen mit Dassault bauen. Dann soll eine Testphase folgen.

Kampfjets umgeben von Drohnen: Szenario im Rüstungsprojekt "Future Combat Air System" (FCAS). (Foto: Airbus/Wavebreakmedia)

Vor allem für Frankreich hat das Projekt herausgehobene politische Bedeutung: Es soll die europäische Selbstverteidigungsfähigkeit garantieren, ganz im Sinne von Macrons Vorstellung strategischer Souveränität. In der Bundesregierung heißt es immerhin, ein derartiges System werde es in Europa nur geben, wenn Deutschland und Frankreich zusammenarbeiten. Das sei nicht nur eine Frage der Finanzierung, sondern auch der Entwicklungskapazitäten. Mike Schöllhorn, Leiter von Airbus Defence and Space, sagte der Financial Times es gebe zu FCAS "keine Alternative - es muss funktionieren".

Wann das System tatsächlich abheben kann, ist noch Ansichtssache

Eine endgültige Entscheidung über den tatsächlichen Bau und eine Anschaffung des Systems ist der Beginn einer Vorentwicklung allerdings nicht. Und noch sind politische Hindernisse auszuräumen: Der Haushaltsausschuss des Bundestages muss das Geld für die Projektphase freigeben, wenn die Unternehmen die Verträge unterzeichnet haben. Das hat er in den Haushaltsberatungen mit einem Maßgabebeschluss an Bedingungen geknüpft: eine "angemessene Verteilung der Technologiebereiche auf Augenhöhe und eine faire Kosten- und Arbeitsverteilung auf staatlicher und industrieller Ebene". Nach Ansicht der Abgeordneten war dies noch vor wenigen Tagen "aktuell nicht erfüllt".

Bestenfalls könnten die Streitkräfte die ersten FCAS-Typen um das Jahr 2040 erhalten, wegen Verzögerungen im Verlauf des Projekts und der Komplexität halten manche in der Industrie aber eher 2050 für realistisch. Dem widerspricht der französische und für das Projekt zuständige Oberst Benjamin Souberbelle: "Wir haben keine Hinweise dafür, den Termin 2040 nicht halten zu können. Wenn jetzt unterzeichnet wird, ist FCAS dann bereit."

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Aber auch wenn das Luftkampfsystem in Serie geht, werden Deutschland und Frankreich ihre im Einsatz befindlichen Kampfjets der Typen Eurofighter Typhoon und Dassault Rafale noch lange behalten. Ein völliger Ersatz durch FCAS ist nicht vorgesehen. Dasselbe gilt für die F-35. Die Luftwaffe sieht den US-Tarnkappenjet, wie ein hoher Offizier sagt, "als Meilenstein" und "Brücke" auf dem Weg zu FCAS. Die Anschaffung des Jets gilt als dringend nötig, um die veraltete Tornado-Flotte zu ersetzen und die bislang von dieser Flotte getragene nukleare Teilhabe der Bundeswehr innerhalb der Nato weiter zu gewährleisten. Nach der Einführung von FCAS 2040 sollen beide Systeme nebeneinander eingesetzt werden und auch aufeinander abgestimmt sein; in Frankreich würde FCAS die Rafale als Trägerflugzeug für nuklear bestückte Marschflugkörper ersetzen.

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