Abgesagte Flüge:Lieber gar nicht fliegen als am Flughafen stranden

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München und Frankfurt sind die beiden Drehkreuze der Lufthansa. Dort soll es starke Einschnitte geben. (Foto: Christof Stache/AFP)

Warum die Lufthansa im Juli in Frankfurt und München 900 Verbindungen aus dem Programm nehmen will.

Von Jens Flottau

Neulich in Frankfurt: Eine lange Schlange an der Sicherheitskontrolle. Nur eine von einem knappen Dutzend Schleusen ist geöffnet. Als ein Passagier, dessen Flug schon zum Einsteigen aufgerufen wurde, vorgelassen werden will, kommt es fast zu einer Prügelei. An einem anderen Tag: Die Schlange zum Servicecenter reicht bis zum Gate A 16, geschätzte 200 Meter. Die Leute stehen an, weil gerade 13 Flüge abgesagt werden mussten, heißt es intern bei der Lufthansa.

Es herrscht in diesen Tagen Chaos an den Flughäfen in Deutschland und Europa. Nachdem die Corona-Pandemie den Luftverkehr etwa eineinhalb Jahre mehr oder weniger lahmgelegt hatte, ist die Nachfrage zuletzt wie mit einem Schlag zurückgekehrt, vor allem bei den Urlaubern, die in der Krise zu Hause bleiben mussten und jetzt die Reisen nachholen wollen. Der Sommer versprach für die Fluggesellschaften ein richtig gutes Geschäft zu werden, zumal sie zuletzt kräftig die Preise erhöht haben. Doch nun zeigt sich, dass an allen Ecken und Enden Personal fehlt. Es gibt an den Flughäfen nicht genügend Gepäckarbeiter, Sicherheitskontrolleure, Bodendienstler hinter den Schaltern oder Flugbegleiter.

Statt ad hoc Flüge abzusagen will die Lufthansa künftig vorab den Flugplan ausdünnen, um den Rest ordentlich abfliegen zu können. Die Fluglinie kündigte an, im Juli in Frankfurt und München 900 Verbindungen aus dem Programm nehmen zu wollen. Betroffen sind Flüge innerhalb Europas von Freitag bis Sonntag, also den Wochentagen, an denen besonders viele Menschen in den Urlaub fliegen wollen. Die betroffenen Passagiere werden umgebucht. Auch Konzerntochter Eurowings streicht mehrere Hundert Flüge. Da schnelle Besserung nicht in Sicht ist, droht Ähnliches für den August.

Lufthansa und Eurowings hätten zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um die größtmögliche Stabilität des Flugplans sicherzustellen, so der Konzern. "Es ist allerdings absehbar, dass aufgrund der Engpässe die Flugpläne nicht wie erhofft geflogen werden können."

Intern knallt es. Die Mitarbeiter werfen der Konzernführung Inkompetenz vor, weil schon lange absehbar gewesen sei, dass das vorhandene Personal nicht ausreichen werde. "Es bestand die Möglichkeit, alle an Bord zu halten, mit Kurzarbeitergeld bis März 2022", beschwert sich einer. "Hier hat die Politik für uns ein geradezu perfektes Timing hingelegt. Dieser Elfmeter ohne Torwart wurde von unserem Management vergeigt." Lufthansa hatte seit Anfang 2020 weltweit von 140 000 Stellen etwa 34 000 gestrichen.

Dass sich die Lage schnell bessert, ist nicht zu erwarten, weder bei Lufthansa noch bei Flughäfen und Lieferanten. Denn es gibt nicht nur aktuell zu wenige Mitarbeiter, es stellt sich gerade als äußerst schwierig heraus, neue zu finden. Die Jobs am Boden und in der Flugzeugkabine sind für Neueinsteiger finanziell kaum attraktiv. Viele, die sich in der Krise umorientiert haben, stellen fest, dass es ihnen anderswo besser geht und kehren nicht zurück.

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