Lobbyismus:Warum Lobbyisten in Berlin jetzt Cappuccino verkaufen

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  • Das Kerngeschäft des Lobbyismus läuft ab wie eh und je: hinter verschlossen Türen. Und es wird immer schwerer, die Strukturen zu durchschauen.
  • Die großen Konzerne verlassen sich nicht mehr allein auf ihre Branchenverbände.
  • Internet-Unternehmen wie Google und Facebook unterhalten heute eigene Lobbybüros.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Wenn Christina Deckwirth auf ihrer Stadtführung zum Thema Lobbyismus mal wieder vor der Tür der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) in der Georgenstraße 22 steht, dann gesellt sich hin und wieder ungefragt ein Vertreter der Initiative dazu und hält eine Art Co-Referat.

Das ist schon ok für Christina Deckwirth, die für die Transparenzinitiative LobbyControl arbeitet. Ihre Teilnehmer fänden es durchaus interessant, so einem Lobbyisten mal Auge in Auge gegenüberzustehen. Deckwirth, eine der Autoren des neuen "Reiseführers durch den Lobbydschungel Berlin", dem "LobbyPlanet", muss danach nur erklären, dass die INSM von den Metall-Arbeitgebern finanziert wird. Und schon weiß jeder das Co-Referat einzuordnen.

Jetzt sitzt Deckwirth im Haus der Bundespressekonferenz, Konferenzraum 107. In der Hand hält sie die neueste, die zweite Ausgabe des LobbyPlanet. Die erste ist 2008 erschienen. Über 300 Seiten dick, enthält der Band fast alles, was die Lobbyrepublik Deutschland zu bieten hat: Verbände, Kanzleien, Agenturen, Unternehmensrepräsentanzen, einzelne Akteure von Politikern bis zu Verbandchefs. Vor allem aber Anekdoten und Geschichten. Und nicht nur welche, die im politischen Berlin spielen. Da, wo in Gesetzen zuweilen Formulierungen aus Positionspapieren von Verbänden auftauchen.

Invalidenstraße 91, die Berliner Zentrale des Energiekonzerns Vattenfall. Dazu lässt sich im LobbyPlanet eine Geschichte nachlesen. Nämlich wie in der Lausitz ein Bürgerverein mit dem Namen "Pro Lausitzer Braunkohle" unterwegs ist. Eine Bürgerinitiative also, die es - kurz gesagt - toll findet, wenn für den Klimakiller Braunkohle Dörfer abgerissen werden. Tatsächlich wird der Verein wohl weniger von besorgten Bürgern als von Vattenfall finanziert.

Vattenfall will sein Tagebaugeschäft zwar verkaufen. Will aber nicht, dass der Preis fällt, nur weil der Widerstand gegen die Braunkohle wächst. Auskunft zu den Finanzen wollen weder Vattenfall noch der Verein geben. Kleine Ironie der Geschichte: Der Vorsitzende des Vereins, Wolfgang Rupieper, ist seit 1. Mai Anti-Korruptionsbeauftragter der Stadt Cottbus.

Die großen Konzerne gründen eigene Lobbybüros

Die neueste Lobby-Masche lässt sich Unter den Linden 26 ausprobieren. Etwa bei einem Cappuccino im "Base-Camp" der E-Plus-Tochter "Base". Zu belegten Ciabattas und frischen Säften werden die neuesten Handymodelle und Tarife präsentiert. Daneben netzwerken hier Politiker und Internet-Nerds um die Wette, füllen Podium und ulkige Lounge-Sessel. Die eigentliche Lobby-Zentrale von E-Plus ist nur wenige hundert Meter entfernt.

Ähnliche Cafés unterhalten in Berlin der Software-Gigant Microsoft oder der Autobauer Daimler. Die Lobbyisten liefern so die passende Location für ihre Präsentationen gleich mit. Lobbying wird so scheinbar öffentlich. Statt einem Klingelschild in einer Seitenstraße gönnen sich vor allem Konzerne jetzt den ganz großen Auftritt.

Das Kerngeschäft aber läuft ab wie eh und je: hinter verschlossen Türen. Und es wird immer schwerer, die Strukturen zu durchschauen, erklärt Ulrich Müller, Geschäftsführer von LobbyControl. Die Berliner Lobby-Szene wachse weiter, stellt er fest. "Es gibt immer neue Akteure." Die großen Konzerne verlassen sich nicht mehr allein auf ihre Branchenverbände. Internet-Unternehmen wie Google und Facebook unterhalten heute eigene Lobbybüros.

Lobbyregister gefordert

Im Zuge der Finanzmarktkrise hat die Deutsche Bank ihr Büro massiv aufgestockt. Der Streit um die Gasfördermethode Fracking hat den US-Energiekonzern Exxon Mobil dazu getrieben, eine eigene Hauptstadtrepräsentanz aufzumachen. Hinzu kommen Dutzende Agenturen, die die Partikularinteressen selbst kleinster Unternehmen an den richtigen Politiker adressieren. Großverbände wie der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) oder der Arbeitgeberverband BDA wirken da wie aus der Zeit gefallen.

LobbyControl fordert deshalb ein verbindliches Lobbyregister. Nur wer da drauf ist, soll künftig offiziell Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern haben. Dafür müssen sich die Lobbyisten an strenge Transparenz-Regeln halten. Bis hin zur Offenlegung ihrer Finanzen und Auftraggeber. Was vor allem Agenturen und Anwaltskanzleien ungern täten. Was zählt, ist eben nicht immer das bessere Argument. Oft sind es Geld und Manpower. Nur CDU und CSU sperren sich noch gegen ein Register. LobbyControl kann sich Offenheit leisten: Das Jahresbudget beträgt knapp 500 000 Euro. Alles Spenden und Mitgliedsbeiträge. Das dürfte knapp dem Jahresgehalt des Cheflobbyisten eines großen Verbandes entsprechen

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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