Wer Petra Sitte am Dienstagmorgen vor Journalisten auf Sevim Dağdelen anspricht, der bekommt Folgendes zu sehen: Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen, der Blick wird starr. Sämtliche Muskeln scheint sie anzuspannen. Nein, die parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag ist nicht gut zu sprechen auf ihre Fraktionskollegin.
Dağdelen mischt kräftig in Sachen Ukraine und Krim-Konflikt mit. Sie ist so etwas wie Putins U-Boot im deutschen Parlament. Jegliche Kritik am russischen Staatschef, der gerade die Krim annektiert, weist sie entschieden zurück.
Im russischen Propagandasender Russia Today ist sie regelmäßiger Gesprächsgast. Dort erklärt sie immer wieder, dass die Europäische Union, die Bundesregierung und die Nato den Sturz des Janukowitsch-Regimes mit Hilfe von Faschisten in der Ukraine betrieben hätten. Ist Dağdelen im Bild, werden rechts neben ihr Videos eingeblendet. Darin ist zu sehen, wie ukrainische Sicherheitskräfte von Demonstranten verprügelt werden.
In Gastkommentaren etwa für die Junge Welt geißelt Dağdelen die Rolle der zum Teil mit Faschisten besetzten Übergangsregierung in der Ukraine. Den grassierenden Nationalismus in Russland aber oder Putins Eskalationsstrategie erwähnt sie mit keinem Wort.
Zu Dağdelens Lieblingswörtern gehört "Krieg". Bundespräsident Joachim Gauck nennt sie einen "Kriegstreiber". Eine Bundestagskommission, in der über eine Neuordnung der Parlamentsrechte bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr beraten werden soll, ist in ihren Augen eine "Kriegskommission" .
Die Grünen haben jüngst eine Fotomontage in die digitale Welt gesetzt, auf der Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht vor Soldaten zu sehen ist. Darüber der Satz: "Jetzt neu: Linkspartei erstmals für Auslandseinsätze". Dağdelen kommentiert das auf Twitter mit den Worten: "Wie die CDU-Propaganda aus dem Kalten Krieg. #Grüne auf dem Weg nach rechts außen, mit neuer Kalter Kriegspropaganda."
Dağdelen twittert und postet ihre Positionen derart penetrant in die Welt, dass sie von manchen schon als Wortführerin der Linken im Bundestag in Sachen Ukraine wahrgenommen wird. Petra Sitte platzt da fast der Kragen: "Frau Dağdelen ist keine Wortführerin", zischt sie.
Es sei Konsens in der Fraktion, dass die Mobilmachung der Ukraine wenig hilfreich sei. Und Sanktionen gegen Russland abgelehnt würden. Sie wünsche sich aber, dass die Debatte sachlich geführt werde, sagt Sitte. "Das gilt für Frau Dağdelen wie für jedes andere Mitglied unserer Fraktion." Und: "Frau Dağdelen ist an der Stelle nicht mein Maßstab."
So deutlich hat bisher noch niemand aus der Linken Dağdelen in ihre Schranken gewiesen. Stören wird Dağdelen das allem Anschein nach nicht. Genau so wenig wie ihre Mitstreiter Ulla Jelpke und Wolfgang Gehrcke, die sich ähnlich wie Dağdelen äußern.
Das wiederum kann all denen nicht passen, die sich seit der Bundestagswahl verstärkt um gute Kontakte zwischen Linken, Grünen und der SPD bemühen. Nach der Bundestagswahl 2017 soll ein Linksbündnis rechnerisch, vor allem aber inhaltlich eine realistische Chance haben. Erste Gesprächsfäden wurden aufgenommen, die Parteispitzen von Grünen und Linken haben sich bereits getroffen.
Zwischen SPD und Linken ist das etwas schwieriger, weil beide Seiten ihre Rollen in Regierung und Opposition wahren wollen. Da gibt es bisher nur unregelmäßig informelle Treffen auf Ebene der Abgeordneten, etwa in der Kneipe "Walden" in Prenzlauer Berg. Code-Wort "R2G" oder auch "Walden-Connection".