Nationalisten in der Ukraine:Rechte bringen Kiew ins Dilemma

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Die rechte Swoboda-Partei stellt in Kiew neuerdings drei Minister. Der Westen duldet sie notgedrungen als Teil der neuen Führung. Russland versucht, die Angst vor dem rechten Rand zu schüren. Wie gefährlich sind die Nationalisten wirklich?

Von Frank Nienhuysen

Am Montag, als Berichte über Verschleppungen auf der Krim sich häuften, veröffentlichte das russische Außenministerium auf seiner Internetseite eine Erklärung. "Empört" zeigte sich Moskau darin über "die Gesetzlosigkeit", die im Osten der Ukraine herrsche, über Schüsse auf Demonstranten - während es die zunehmende Willkür der Prorussen auf der Krim freilich mit keinem Wort erwähnte.

Das Moskauer Ministerium betonte die radikalen Kämpfer des Rechten Sektors, die von den neuen Machthabern in Kiew geduldet würden. Es ist nicht die erste Erklärung, in der Moskau vor Faschisten und Nationalisten warnt, und es dürfte nicht die letzte sein. Denn mit der Sorge vor Extremisten rechtfertigen Russland und die Krim-Führung ihre Abspaltungspolitik auf ukrainischem Gebiet. Auch wenn die Radikalen in der Minderheit sind.

Gegen den Anführer des Rechten Sektors, Dmitro Jarosch, hat die russische Justiz bereits einen Haftbefehl wegen terroristischer Aufrufe erlassen. Er soll angeblich den tschetschenischen Terrorführer Doku Umarow um Unterstützung gebeten haben, was Jarosch als "Schmierkampagne" dementieren ließ. Bei der ukrainischen Präsidentenwahl am 25. Mai will Jarosch antreten, und schon in der nächsten Woche plant die Bewegung Rechter Sektor, eine eigene Partei zu gründen. Die russischen Medien haben Bilder rechter Paramilitärs in Camouflage-Uniformen weidlich genutzt, als es um die Bewertung der eskalierenden Gewalt auf dem Maidan ging.

Dilemma für neue ukrainische Führung

Nationalisten der Partei Swoboda waren es, die das Parlament in Kiew zur Herabstufung der russischen Sprache drängten und damit die Lage auf der Krim befeuerten. In der neuen Übergangsregierung stellt die Partei, deren Vorsitzender Oleg Tjanybok neben Vitali Klitschko und Arsenij Jazenjuk zu den drei Protagonisten des Kiewer Machtwechsels gehörte, zudem drei Minister. Erst zwei Jahre ist es her, dass das Swoboda-Vorstandsmitglied Juri Syrotjuk in der Ukraine eine Rassismus-Debatte auslöste, weil er die beliebte Sängerin Gaitana, Tochter eines kongolesischen Vaters, nicht als geeignete Vertreterin der Ukraine beim Eurovision Song Contest empfand. Sie sang trotzdem.

Für die ukrainische Führung ist das Dilemma offensichtlich. Ohne die Unterstützung der nationalistischen Swoboda hätten Klitschko und der Übergangspremier Jazenjuk das Regime von Viktor Janukowitsch vermutlich nicht stürzen können, jedenfalls nicht so schnell. Und nun ist sie da, als Teil der neuen Führung vom Westen notgedrungen geduldet - von Russland aber trefflich als Schwachpunkt ausgespielt.

Klitschko selbst distanzierte sich am Montag in einem Spiegel-Interview von Swoboda. "Das ist keine Zusammenarbeit. Wir haben uns im Kampf gegen das Regime zusammengetan, mehr nicht." Klitschko weiß, dass die Beteiligung der Swoboda-Partei an der neuen Übergangsregierung es Russland leichter macht, die neue Führung in Kiew zu diskreditieren. Und diese hat es umso schwerer, die Ukraine als Staat zusammenzuhalten.

"Da wird vieles vollkommen übertrieben"

Der ukrainische Politikwissenschaftler Wolodymir Fessenko relativiert allerdings die Warnungen aus Moskau. "Da wird vieles vollkommen übertrieben. Swoboda spielt trotz dreier Minister nicht die entscheidende Rolle in der Ukraine, sie hat sich außerdem von ihren antisemitischen Parolen losgesagt und tritt nun verstärkt pro-europäisch auf." Fessenko vergleicht die Partei eher mit dem rechten Front National in Frankreich, zu der die Swoboda-Führung Kontakte hält. Wie allerdings auch zur sächsischen NPD.

Nach der jüngsten Umfrage von Ende Februar würde der Rechte Tjanybok bei der Präsidentenwahl Ende Mai gerade mal 2,5 Prozent der Stimmen bekommen. Er hat die meisten Anhänger in seiner Heimat, im Westen der Ukraine. Jarosch, der Chef des Rechten Sektors, käme sogar nur auf ein Prozent. "Die beiden haben überhaupt keine Chance, es auch nur in die Stichwahl zu schaffen", sagt Fessenko.

Den militarisierten Rechten Sektor, der rund um den Maidan noch immer Gebäude besetzt hält, nennt er wegen der gewaltbereiten Extremisten "gefährlich zu einem gewissen Grad". Trotzdem hält er den Einfluss des radikalen Flügels für begrenzt. "Das ist eine amorphe Bewegung aus widersprüchlichen Gruppen, die sich erst vor einem Jahr zusammengetan haben. Rückhalt in der Bevölkerung hat sie nicht. Und sollten sie bei den Wahlen antreten und Swoboda Konkurrenz machen, wird von beiden nicht mehr viel übrig bleiben."

© SZ vom 11.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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