Streit um Wagenknecht:Linken-Fraktionschefin Mohamed Ali gibt Amt ab

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Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke, während eines Pressestatements im April. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Wagenknecht-Vertraute erklärt, es falle ihr "zunehmend schwer, den Kurs der Parteiführung in der Öffentlichkeit zu vertreten". Viele Parteikollegen zeigen Verständnis und kritisieren die Linken-Spitze deutlich.

Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali zieht sich wegen des Umgangs ihrer Partei mit Sahra Wagenknecht von ihrem Amt zurück. "Ich habe mich entschieden, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren", heißt es in einer Erklärung Mohamed Alis, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. "Diese Entscheidung hat politische Gründe."

Den letzten Ausschlag habe die Distanzierung der Parteispitze von Wagenknecht Anfang Juni gegeben. In der Erklärung nennt Mohamed Ali mehrere Gründe. So schreibt die 43-Jährige, es falle ihr zunehmend schwer, den Kurs der Parteiführung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Dieser widerspreche an vielen Stellen ihren politischen Überzeugungen.

Sie kritisierte unter anderem, dass kein "grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelregierung" formuliert werde, so etwa zur Klimapolitik, die "vor allem das Alltagsleben vieler Menschen noch schwieriger und teurer macht, die soziale Ungleichheit fördert". Auch fehle es "an einem klaren Ja zu konsequenter Friedenspolitik".

Umgang mit Wagenknecht war "letzter Ausschlag"

Die Parteiführung wolle enttäuschte Grünen-Wähler gewinnen, doch das gelinge nicht. Hingegen könne man nicht die erreichen, für die linke Politik gemacht werden solle, auch nicht AfD-Wähler, "die noch zurückgewinnbar sind".

"Den letzten Ausschlag für meine Entscheidung hat der einstimmige Beschluss des Parteivorstandes vom 10. Juni 2023 gegeben und der Umstand, dass sich die große Mehrheit der Landesvorstände diesen Beschluss zu eigen gemacht hat", heißt es in der Erklärung. "Darin wird gesagt, Sahra Wagenknecht habe in der Linken keine Zukunft mehr und solle zusammen mit anderen Abgeordneten ihr Mandat niederlegen. Dies zeigt in bis dahin noch nicht gekannter Deutlichkeit den Wunsch und das Ziel, einen Teil der Mitgliedschaft aus der Partei zu drängen."

Mohamed Ali gilt als Vertraute von Wagenknecht. Diese hat sich mit der Parteiführung überworfen und erwägt die Gründung einer eigenen Partei. Eine Entscheidung hat Wagenknecht noch nicht bekannt gegeben.

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"Die Linke verkommt leider zu einer Sekte"

Der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich hat den Rückzug Mohamed Alis als weiteren Sargnagel für die Linke bezeichnet. "Ich kann die Gründe völlig nachvollziehen. Die Parteiführung schafft es nicht nur, die Partei zu zerlegen, sondern nun auch die Bundestagsfraktion", teilte er am Sonntag mit. Die Linke habe mit dieser Parteiführung keinerlei Chancen mehr, nochmals in den Bundestag zu kommen. "Die Linke verkommt leider zu einer Sekte", sagte er. "Wir hoffen auf Sahra Wagenknecht."

Dietmar Bartsch, Co-Vorsitzender der Bundestagsfraktion, äußerte sich im Deutschlandfunk distanziert zum Rückzug von Mohamed Ali. Er könne ihre Entscheidung nachvollziehen, inhaltlich sehe er jedoch einige Punkte anders, sagte Bartsch. Er betonte, es gebe in der Partei "tiefgreifende Differenzen".

Der frühere Linken-Vorsitzende Klaus Ernst schrieb bei Twitter, er habe für die Entscheidung größtes Verständnis. "Trotzdem bedauere ich ihren Schritt, weil damit erneut eine profilierte Linke wegen der Politik des Parteivorstands und der Haltung der Partei nicht mehr für ein Spitzenamt kandidiert." Der Kurs der Partei entferne sich immer mehr von ihrem Gründungskonsens, die Wahlniederlagen der letzten Zeit seien ein Zeichen dafür, dass die Menschen diesen Weg nicht mitgingen.

Darauf antwortete der Parteivize Lorenz Gösta Beutin auf Twitter: "Das, was wir 2007 gemeinsam beschlossen haben, war die Formulierung einer klaren, emanzipatorischen Linken, die Freiheit und Gleichheit miteinander verbindet, für alle." Ähnlich äußerte sich die Abgeordnete Jessica Tatti. "Wer den eigenen Genossen permanent die Tür zeigt, braucht sich nicht wundern, wenn sie irgendwann durchgehen. Amira Mohamed Ali wollte Vorsitzende der ganzen Fraktion sein, doch die Parteiführung war der Ansicht, sie habe sich dem Anti-Wagenknecht-Kurs zu beugen."

Die Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan haben indes zurückhaltend auf den Rückzug der Fraktionschefin Amira Mohamed Ali reagiert. "Wir nehmen die Ankündigung von Amira Mohamed Ali, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, mit Respekt zur Kenntnis", teilten sie am Abend mit. Beide dankten ihr für ihre jahrelange Arbeit als Vorsitzende der Linksfraktion.

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