Bundeswehr:Lindner brüskiert Lambrecht

Bundeswehr: Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat seiner Kabinettskollegin Christine Lambrecht (SPD) einen unangenehmen Brief geschrieben.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat seiner Kabinettskollegin Christine Lambrecht (SPD) einen unangenehmen Brief geschrieben.

(Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Der Finanzminister verlangt größere Anstrengungen bei der Rüstungsbeschaffung - in einem Brandbrief an Verteidigungsministerin und Kanzler.

Von Mike Szymanski, Berlin

Ein belehrender Brief von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) verursacht schlechte Stimmung in der Ampelkoalition. Lindner hatte in dem Schreiben an die Kabinettskollegin größere Anstrengungen bei der Reform des Beschaffungswesens in der Bundeswehr angemahnt. Hintergrund des Briefes ist das kürzlich beschlossene Sondervermögen von zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die Modernisierung der Truppe. Die Bürokratie im Beschaffungswesen gilt als hinderlicher Flaschenhals für zusätzliche Investitionen.

Lambrecht hat angekündigt, Prozesse zu vereinfachen, und dazu bereits erste Schritte in die Wege geleitet. Schon ihre Vorgängerinnen an der Spitze des Wehrressorts, die CDU-Politikerinnen Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen, hatten sich bemüht, Rüstungsvorhaben zu beschleunigen, allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Lindner zeigt sich nun besorgt, dass die zusätzlichen Milliarden nicht rasch genug in der Truppe ankommen. Den Verbleib des Geldes im Blick zu behalten, zählt zu seinen Aufgaben als Finanzminister. Ungewöhnlich ist jedoch die Form, in der er sich nun eingeschaltet hat: Er wählte einen Brandbrief, der auch gleich mit an den Kanzler ging.

In dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, die außergewöhnliche finanzielle Kraftanstrengung müsse von "mindestens ebenso kraftvollen wie mutigen Reformen" begleitet werden. Die schlechte derzeitige Verfassung der Bundeswehr sei nicht nur auf zu wenig Geld in der Vergangenheit, sondern auch auf "strukturelle Defizite und ein unzureichendes ziviles und militärisches Management" zurückzuführen. Was Lambrecht bislang in die Wege geleitet hat, könne "nur ein erster Schritt" sein. Zuerst hatte der Spiegel über diesen Brief berichtet.

Wolfgang Hellmich, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, reagierte am Dienstag verärgert. Er erwarte von Lindner, dass dieser "mit seiner Kabinettskollegin spricht, anstatt Briefe zu schreiben", sagte Hellmich. Eine große, mutige Reform des Beschaffungswesens, wie Lindner sie sich offenbar vorstellt, hält Hellmich sogar für den falschen Weg. Dadurch wäre eine zentrale Säule der Bundeswehr über Jahre hinaus nur noch "mit sich selbst beschäftigt". Dabei müsse der Bundeswehr umgehend ermöglicht werden, ihrer Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung wieder nachkommen zu können. Verbesserungen müssten deshalb im laufenden Betrieb stattfinden.

Auch die Opposition erhöht den Druck auf Lambrecht

Lambrecht setzt einerseits darauf, die Beschäftigten in den Vergabebehörden von Arbeit zu entlasten. Aufträge im Wert bis zu 5000 Euro sollen künftig direkt vergeben werden können, bislang lag die Grenze bei 1000 Euro. Lambrecht zufolge betrifft das jeden fünften Auftrag: "Das heißt, dass ich für über 20 Prozent solcher Aufträge nicht mehr ein sehr bürokratisches Vergabeverfahren brauche." Die Mitarbeiter könnten sich dadurch auf die großen Vorhaben konzentrieren. Für alle Beschaffungsvorhaben gelte: keine "Goldrandlösungen". Anstatt immer allen Wünschen zu entsprechen, soll auf bewährte und auf dem Markt verfügbare Produkte zurückgegriffen werden.

Bundeswehr: Artilleriemunition in einem der Lagerhäuser des Munitionsversorgungszentrum West in Friedrichsdorf.

Artilleriemunition in einem der Lagerhäuser des Munitionsversorgungszentrum West in Friedrichsdorf.

(Foto: Michael Schick/Imago)

Zugleich will Lambrecht Verfahren verkürzen: Wo es erforderlich sei, soll Deutschland Ausnahmeregelungen nutzen, vom europäischen Vergaberecht abweichen und Aufträge national vergeben. Bei Widersprüchen unterlegener Anbieter sollen Gerichte schneller zu einer Entscheidung kommen. Rechtsstreitigkeiten beim Nachfolgemodell für das G36-Sturmgewehr beispielweise verzögerten die Anschaffung um mindestens zwei Jahre. Vor der Sommerpause brachte der Bundestag ein entsprechendes Gesetz auf den Weg.

Auch die Opposition erhöht den Druck auf Lambrecht. Henning Otte, Verteidigungsexperte der CDU, erklärte: "Die SPD hat in der Vergangenheit bei der Reform des Beschaffungswesens stets blockiert und muss nun endlich liefern. Nach den Worten muss die Bundesministerin nun auch Taten folgen lassen."

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