Nach der deutschen Enthaltung bei der Libyen-Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war es das jüngste Gerücht: Außenminister Guido Westerwelle (FDP), lautete es, wäre noch weiter gegangen und sei bereit gewesen, den deutschen UN-Botschafter Peter Wittig anzuweisen, mit Nein zu stimmen. Die deutsche Enthaltung sei daher nur das Ergebnis eines Koalitionskompromisses gewesen, war am Mittwoch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen - recht versteckt, ganz am Ende eines längeren analytischen Textes.
Das Auswärtige Amt fühlte sich dennoch genötigt, energisch zu dementieren. "Diese Darstellung ist falsch", sagte ein Sprecher. Außenminister, Kanzlerin und Verteidigungsminister hätten sich in der "Frage engstens abgestimmt". Westerwelle und Merkel hätten dies am Mittwoch auch noch einmal im Kabinett klargemacht. Westerwelles angebliche Absicht, mit Nein zu stimmen, sei "eine Geschichte aus dem Reich der Phantasie", hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Mehr noch: "Da fabuliert jemand ohne Kenntnis der wirklichen Abläufe."
Doch ganz so ist es nicht. Die Geschichte von Westerwelle, dem Nein-Sager, wird von Leuten erzählt, die die Abläufe eigentlich kennen müssten. Als ziemlich sicher kann gelten, dass an jenem hektischen Donnerstag, als sich der französische Erfolg im Ringen um ein Flugverbot abzeichnete, unter den durchgespielten Optionen auch ein deutsches Nein zur Sprache kam.
Als sicher kann auch gelten, dass ein solches Nein für das Kanzleramt nie in Frage gekommen ist. Das nimmt auch das Auswärtige Amt für sich in Anspruch. Das klingt insofern zumindest plausibel, als eine einsame deutsche Gegenstimme einer diplomatischen Katastrophe gleichgekommen wäre. Angesichts der Vorwürfe, Deutschland habe sich isoliert, entfaltet das Gerücht aber längst seine Wirkung. Es klingt danach, als sei in New York wenigstens Schlimmeres verhütet worden.