Libyen-Krise: Frankreich prescht vor:Wenn zwei sich streiten, freut sich Gaddafi

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Frankreich will militärisch gegen Gaddafi vorgehen, Deutschland möchte das Regime finanziell austrocknen. Dabei käme es beim EU-Sondergipfel vor allem auf gemeinsames Handeln an.

Thorsten Denkler

Es klingt verlockend einfach, was Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Schilde führt. Gezielte militärische Angriffe auf Gaddafis Militärbasen, die diplomatische Anerkennung der selbsternannten libyschen Übergangsregierung - und schon ist das Regime am Ende. Mit diesem gewagten Vorschlag ist Sarkozy an diesem Freitag in die Beratungen mit den anderen EU-Staaten beim EU-Sondergipfel zu Libyen in Brüssel gegangen.

Will beim Thema Libyen gutmachen, was Frankreich in den vergangenen Monaten im Umgang mit den nordafrikanischen Staaten falsch gemacht hat: Präsident Nicolas Sarkozy denkt laut über "gezielte Aktionen" gegen Libyens Machthaber Gaddafi nach. (Foto: AFP)

Er dürfte ihn kaum durchsetzen können. In den meisten anderen europäischen Staaten - allen voran Deutschland - wird ein Militäreinsatz gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi skeptisch gesehen. Es gibt bisher nicht einmal eine gemeinsame Position zur Frage einer Flugverbotszone. Und für die Anerkennung einer libyschen Übergangsregierung ist den meisten Ländern die Lage noch zu undurchsichtig.

Die Anerkennungsfrage hat Sarkozy für Frankreich auf die ihm typische Weise gelöst: im Alleingang. Zur Unterstützung hat er sich die Briten mit ins Boot geholt. Gemeinsam mit deren Premierminister David Cameron schreibt er an den ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy: "Wir müssen ein klares politisches Signal senden, dass wir den Rat als entwicklungsfähige politische Gegenpartei und eine wichtige Stimme des libyschen Volkes zum gegenwärtigen Zeitpunkt betrachten."

An einem gezielten Bombardement scheint aber auch Sarkozy nicht ernsthaft interessiert zu sein. Sonst hätte er es vielleicht für nötig befunden, mit Deutschland seinen wichtigsten Bündnispartner vorab über die Pläne zu informieren. Was er nicht getan hat.

Die Bundesregierung reagiert entsprechend irritiert auf den Vorstoß des Franzosen. Zur Anerkennungsfrage sagte Außenminister Guido Westerwelle im Tonfall eines Nachhilfelehrers: Es werde "natürlich zunächst einmal zu prüfen sein: Für wen sprechen diese Kräfte? Wo kommen diese Kräfte her? Können sie wirklich den Anspruch erheben, auch für das libysche Volk die Stimme zu erheben und für das libysche Volk zu sprechen?" Auch eine Militärintervention hält er für übereilt. "Wir wollen nicht, dass ein Krieg beginnt in Libyen, in dem wir selbst Partei sind."

Zunächst einmal steht ohnehin die ungeklärte Frage nach einer Flugverbotszone im Raum. Damit soll das Gadaffi-Regime gehindert werden, seine Gegner aus der Luft anzugreifen. Zumindest in der Union gibt es einige Sympathien für diesen Vorschlag.

Einfach aber wäre das nicht, weder militärisch noch diplomatisch. Militärisch besteht die Gefahr, in Luftkämpfe verwickelt zu werden. Zudem ließe sich die Übermacht von Gaddafis Truppen am Boden so nur bedingt eindämmen, sagt etwa Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des Nato-Militärausschusses von 2002 bis 2005.

Auch diplomatisch scheint eine Flugverbotszone derzeit kaum durchsetzbar. Für Westerwelle geht das nicht ohne ein Mandat der Vereinten Nationen - Russland hat schon sein Veto angekündigt - und schon gar nicht ohne Zustimmung und Beteiligung der Arabischen Liga. Die aber sei bisher nicht erkennbar.

Vorher will die EU versuchen, das Gaddafi-Regime finanziell "auszutrocken", wie Westerwelle es nennt. Die wichtigsten Konten in Deutschland sind jetzt gesperrt. Ein niedriger zweistelliger Milliardenbetrag steht Gaddafi so nicht mehr zur Verfügung. Es geht auch um Zahlungsblockaden für libysche Öllieferungen und die Aufhebung der Immunität Gaddafis.

Gegen Sarkozy wirken alle wie zimperliche Zögerer

Sarkozy wird alles das wissen. Aber er steht innenpolitisch unter gehörigem Druck. Anders lässt sich sein Vorstoß kaum erklären. Seine Regierung hat viel zu spät erkannt, was in der arabischen Welt passiert. Bis zum Schluss hat sie in Ägypten zu Hosni Mubarak gehalten. Der Umbruch in Tunesien hat gar der französischen Außenministerin Michèle Alliot-Marie das Amt gekostet. Sie hatte dem gestürzten tunesischen Präsidenten angeboten, Ausrüstung zu schicken, um mit den Aufständischen fertigzuwerden.

Sarkozy will offenbar wieder gutmachen, was er in den vergangenen Wochen versäumt hat. Für viele schießt er damit zwar weit über das Ziel hinaus. Aber: Sein Vorpreschen zeigt Wirkung. Gegen ihn wirken Merkel und die anderen EU-Regierungschefs plötzlich wie zimperliche Zögerer.

Gut ist das nicht. Es wäre an Deutschland und Frankreich gewesen, Vorreiter in dieser Frage zu sein. Sarkozys Vorstoß offenbart wieder einmal, wie uneins die EU ist. Philipp Mißfelder, der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag kritisiert das Erscheinungsbild der EU. Zu sueddeutsche.de sagte er: "Nachdem die institutionellen Voraussetzungen geschaffen worden sind, ist es mir schleierhaft, wie es im Fall Nordafrika auch in den vergangenen Tagen sein kann, dass jeder seinen Einzelvorschlag macht, ohne dass ein abgestimmtes Verhalten erkennbar ist."

Von Kanzlerin Angela Merkel fordert Missfelder größere Durchsetzungskraft gegenüber Frankreich: "Deutschland muss in der Nordafrika-Politik eine große Rolle spielen uns sie nicht früheren Kolonialmächten überlassen."

Freuen kann diese Uneinigkeit nur einen: Libyens Revolutionsführer Gaddafi. In den USA rechnen einige schon damit, dass er den Bürgerkrieg in seinem Land für sich entscheiden wird. Zwar wird eine entsprechende Analyse des Nationalen Geheimdienstdirektors James Clapper im Weißen Haus als "eindimensional" heruntergespielt. Aber sie deutet darauf hin, dass in den USA weiter mit Gaddafi als Machtfaktor im arabischen Raum gerechnet wird.

Wenn die Europäer das verhindern wollen, dann sollten sie an diesem Freitag eine gemeinsame Position finden.

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