Vereinte Nationen:Keine Liebesgrüße aus Moskau

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Der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag bei den Vereinten Nationen in New York. (Foto: Russian Foreign Ministry Press Office/Imago)

Russlands Außenminister spricht vor dem UN-Sicherheitsrat. Ein erneuter Eklat bleibt aus, aber Sergej Lawrow rechtfertigt den Krieg in der Ukraine und macht dem Westen schwere Vorwürfe.

Von Nicolas Freund

Im UN-Sicherheitsrat haben sich auf engstem Raum noch einmal die Risse gezeigt, die sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine durch die internationale diplomatische Ordnung ziehen. UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte am Montag in der vom russischen Außenminister Sergej Lawrow geleiteten Sitzung, die Invasion der Ukraine verletze die Charta der Vereinten Nationen sowie das Völkerrecht; der Krieg verursache großes Zerstörungen in dem Land und Leid an seinem Volk. Lawrow, der neben Guterres saß und die Sitzung einberufen hatte, da Russland im April den monatlich wechselnden Vorsitz im Sicherheitsrat innehat, hielt im Anschluss eine längere Rede, in der er den Krieg in der Ukraine rechtfertigte, schwere Vorwürfe gegen den Westen erhob und den USA Ambitionen auf globale Dominanz vorwarf.

Wie schwierig die Beziehungen vor allem zwischen dem Westen und Russland inzwischen sind, zeigte schon die Aufmerksamkeit, die Lawrows Besuch bei den Vereinten Nationen in New York zuteil wurde. Die Reise wäre vor dem Krieg Routine gewesen, inzwischen wirkt sie wie ein Feindbesuch. Im Vorfeld hatte sich Moskau bereits beschwert, weil die USA angeblich nicht rechtzeitig die Visa für russische Journalisten ausgestellt hatten, die eigentlich mit Lawrows Delegation nach New York hätten reisen sollen. Der Außenminister erwähnte das auch noch einmal in seiner Rede.

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Die Anspannung war aber auch deshalb groß, weil Russland seinen Vorsitz im UN-Sicherheitsrat bereits zu Beginn des Monats mit einem Eklat begonnen hatte, als per Video die russische Kinderrechts-Kommissarin Maria Lwowa-Belowa zugeschaltet wurde, gegen die ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs besteht. So nahmen nun auch Teilnehmer das Thema der Sitzung am Montag - "Wirksamer Multilateralismus durch die Verteidigung der Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen" - im Kontext des brutalen Krieges in der Ukraine als Zynismus Russlands wahr.

So nutzte Lawrow das Forum des Sicherheitsrats, um ausführlich das Weltbild des Kremls darzulegen. Oder zumindest das Weltbild, das Russland vor allem den Staaten vermitteln möchte, die zum Krieg in der Ukraine keine eindeutige Position bezogen haben, wie einige Länder Südamerikas, die Lawrow kurz zuvor besucht hatte. "Es geht darum, wie die internationalen Beziehungen künftig gestaltet werden", sagte Lawrow, "indem ein solider Konsens auf der Grundlage von Interessenabwägungen hergestellt wird - oder indem die Vormachtstellung Washingtons aggressiv und sprunghaft vorangetrieben wird."

UN-Generalsekretär António Guterres hört der Rede Lawrows zu. Zuvor hatte er Russlands Angriff auf die Ukraine hart kritisiert. (Foto: Lev Radin/Imago)

Neben seinen Vorwürfen gegen den Westen im Allgemeinen und die USA im Besonderen, der Welt eine Ordnung nach ihren Vorstellungen aufdrücken zu wollen, ohne dass diese Regeln klar kommuniziert würden, behauptete Lawrow zudem, die westlichen Nationen wären für die Probleme der globalen Wirtschaft verantwortlich und würden daran arbeiten, die Globalisierung zu zerstören. Den Angriff auf die Ukraine rechtfertigte er wie schon zuvor als Reaktion auf vermeintliche Bedrohungen Russlands durch die Nato und der angeblichen Notwendigkeit, die ukrainische Bevölkerung vor dem "Regime in Kiew" zu beschützen. Lawrow sagte zudem, es sei in Hinblick auf die globale Sicherheit und eine drohende Konfrontation von Großmächten eine gefährliche Schwelle erreicht worden.

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Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield kommentierte Lawrows Auftritt mit Kritik: "Russland hat immer wieder universelle Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt - sowohl außerhalb als auch innerhalb seiner eigenen Grenzen." Die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward sagte, man habe an den Verletzungen der UN-Charta und dem Krieg in der Ukraine gesehen, was Russlands Vorstellung von Multilateralismus für die Welt bedeute. Der Krieg sei auch für Russland "ein völliges Desaster".

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