Wo die Linke mit der CDU regiert
Mario Czaja, 44, ist CDU-Chef im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf mit 260 000 Einwohnern und seit 1999 Parlamentarier im Abgeordnetenhaus.
SZ: Herr Czaja, in Ihrem Bezirk in Berlin hat die CDU seit 2006 mehrfach die Wahl einer Bürgermeisterin von der Linken unterstützt. Wie kam das?
Mario Czaja: Das Berliner Kommunalwahlrecht sieht das alleinige Vorschlagsrecht für die stärkste Partei vor. Bei uns war das die Linkspartei, sie hatte aber keine absolute Mehrheit. Dadurch hätte es bei uns im Bezirk zu einem monatelangen "Patt" kommen können. Nur wären damit die kommunalen Herausforderungen nicht gelöst worden. Monatelang kein beschlossener Bebauungsplan, keine Schulentwicklungsplanung und kein beschlossener Haushalt. Das war meines Erachtens kein Zustand. Ich bin der Auffassung, dass man innerhalb des demokratischen Spektrums gegenüber allen Parteien gesprächsbereit sein sollte. Und die Linke in Marzahn-Hellersdorf wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet - anders als übrigens Teile der AfD. Deshalb haben wir die Wahl der Bürgermeisterin der Linken nicht verhindert.
Sie sind noch einen Schritt weitergegangen und haben die Kooperation mit der Linken bereits 2006 schriftlich besiegelt.
Im Mittelpunkt unserer Überlegungen stand immer, wie wir die Themen umsetzen, für die wir das Vertrauen der Wähler gewinnen konnten. Da erschien es uns bei allen grundsätzlichen Differenzen besser, das mit der Linken und jetzt auch mitsamt der SPD auszuhandeln. Entscheidend ist, dass man dies auch klar seinen Wählern erläutert. Das haben wir immer getan.
Ist Ihr Bündnis ein Vorbild fürs Land?
Da spielen ganz andere und zurecht auch grundsätzlichere Themen eine Rolle als in einer Kommune. In Berlin hielte ich dies für ausgeschlossen, denken wir beispielsweise an die Forderung nach weitreichenden Enteignungen, der Umgang mit dem Verfassungsschutz und der Abschiebung Ausreisepflichtiger, da liegen CDU und Linke meilenweit auseinander.
Interview von Jan Heidtmann
Petra Bock, 61, ist die einzige Vertreterin der FDP im Kreistag von Saarlouis im Saarland und dort Teil eines - bislang jedenfalls - ungewöhnlichen Bündnisses. In diesem Kommunalparlament hat sich eine Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und eben der FDP zusammengefunden.
SZ: Frau Bock, wie ist es zu diesem Bündnis gekommen?
Petra Bock: Wir von der FDP haben es bei der Kommunalwahl geschafft, wieder in den Kreistag zurückzukommen. Dann haben Sondierungs- und Koalitionsgespräche begonnen, immer auf Augenhöhe. Und dabei hat sich herausgestellt, dass es in der Konstellation, die wir gefunden haben, am ehesten möglich schien, das Beste für die Bürger hier im Landkreis zu erreichen.
Die vier Parteien haben dazu ein 29-seitiges Bündnispapier verfasst. Was haben Sie für die FDP durchsetzen können?
Wir wollten vor allem die Verwaltungsbürokratie vereinfachen, unter anderem sehen, welche Formulare braucht es und welche lassen sich vermeiden. Wir setzen uns dafür ein, einen 24-Stunden-Service für die Bürger aufzubauen. Und es wird ein Haus der Senioren geben, unter dessen Dach alle Leistungen für unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger zusammengefasst sind. Sie sehen: Es geht hier im Kreistag vor allem darum, was sich ganz konkret für Menschen im Landkreis tun lässt. Was für bundespolitische Vorstellungen eine Partei hat, spielt dabei eine geringere Rolle.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Bündnis?
Na ja, wir sind ja noch neu. Wir haben uns seit der konstituierenden Sitzung im August mehrfach getroffen. Die Kommunikation läuft gut, eben auf Augenhöhe.
Würden Sie so ein Bündnis auch Parteifreunden anderorts empfehlen?
Ich meine schon, dass man immer den Mut haben muss, sich unter Demokraten auch auf andere, ungewohnte Zusammenstellungen einzulassen, wenn sich damit etwas für die Menschen erreichen lässt. Ich jedenfalls würde das, was wir hier gemacht haben, jederzeit wieder tun.
Interview von Jan Bielicki