Knapp 1,7 Millionen Thüringer sind am 27. Oktober aufgerufen, den neuen Landtag in Erfurt zu wählen. Wie in Sachsen und Brandenburg wird die AfD auch bei der dritten Landtagswahl im Osten in diesem Jahr wahrscheinlich deutlich an Wählerstimmen hinzugewinnen. Das macht die Suche nach Regierungskonstellationen nicht einfacher.
Wer ist bislang im Landtag vertreten?
Im Thüringer Landtag gibt es aktuell fünf Fraktionen. CDU, Linke, SPD, AfD und Grüne. Außerdem sitzen vier fraktionslose Abgeordnete im Landtag. Die FDP scheiterte bei der Landtagswahl 2014 deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Obwohl die CDU bei der vergangenen Wahl die meisten Stimmen holte, stellt die Linkspartei in einer Koalition mit SPD und Grünen den bundesweit ersten linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Die knappe Mehrheit der Koalition von einer Stimme hielt, obwohl eine Abgeordnete der SPD zur CDU überlief. Denn der AfD-Abgeordnete Oskar Helmerich schloss sich den Sozialdemokraten an. Die Mehrheitsverhältnisse blieben gleich. Das Bündnis galt zudem als Experiment: die erste rot-rot-grüne Landesregierung in der Bundesrepublik. Mittlerweile gibt es Koalitionen aus SPD, Linken und Grünen auch in Bremen und Berlin.
Wie könnte sich das Parlament nach der Wahl verändern?
Die Linkspartei wird den bisherigen Umfragen zufolge die stärkste Kraft werden. Infratest-dimap hat für die Linke 29 Prozent ermittelt, die Forschungsgruppe Wahlen 28 Prozent. Bei der Frage, wer die zweitmeisten Stimmen holen wird, bieten die Umfragen allerdings Interpretationsspielraum. Bei den Infratest-dimap-Zahlen liefern sich AfD und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei. Beide Parteien kämen auf 24 Prozent der Stimmen. Bei der Forschungsgruppe liegt die CDU (26 Prozent) vor der AfD (21 Prozent). Beide Umfragen zeigen aber, dass die CDU im Vergleich zur Wahl 2014 voraussichtlich weiter an Zustimmung verlieren wird, während die AfD einen deutlichen Stimmenzuwachs verzeichnet. 2014 bekam die Partei 10,6 Prozent der Stimmen. Weniger Veränderung gibt es den Umfragen zufolge bei SPD, Grünen und FDP. Die SPD würde im Vergleich zu 2014 (12,4 Prozent) weiter verlieren und ebenso wie die Grünen bei einem einstelligen Ergebnis landen. Für die FDP könnte es mit dem Einzug in den Landtag erneut nicht klappen.
Welche Koalitionsmöglichkeiten gibt es?
Die Regierungsbildung wird kompliziert. Für eine erneute rot-rot-grüne-Mehrheit könnte es knapp werden. Das Zünglein an der Waage ist hier die FDP. Schafft sie es nicht in den Landtag, könnte es für Rot-Rot-Grün wieder reichen. Auch eine Koalition der CDU mit SPD und Grünen hat voraussichtlich keine Mehrheit. Ein Viererbündnis mit der FDP, eine sogenannte Simbabwe-Koalition, könnte sie vielleicht in die Regierung bringen. Eine Koalition mit der AfD, deren rechtsnationaler Flügel um den Thüringer Spitzenkandidaten Björn Höcke vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft wird, haben alle Parteien vor der Wahl ausgeschlossen. Der Spitzenkandidat der CDU, Mike Mohring, hat zudem angekündigt nicht mit der Linkspartei zu koalieren. Kommt keine Mehrheit zustande, könnte Ramelow eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition als Minderheitsregierung in Erwägung ziehen.
Wie wird in Thüringen gewählt?
Der Landtag wird alle fünf Jahre gewählt. Die Wähler haben jeweils zwei Stimmen, die sie per Briefwahl oder in den Wahllokalen abgeben können, die von 8 bis 18 Uhr geöffnet haben: die Erststimme für einen Kandidaten, die zweite für eine Landesliste. Sollte eine Partei mehr Direktmandate gewinnen als ihr von der Zweitstimme her zustehen würden, kann es Ausgleichsmandate geben und sich die Anzahl der Sitze im Landtag dementsprechend erhöhen. Weil die CDU bei der Wahl 2014 ein Direktmandat mehr errang, als ihr nach Anteil der Landesstimmen zustand, wurde es mit zwei Ausgleichsmandaten für andere Parteien kompensiert. Deshalb saßen in dieser Legislaturperiode 91 Abgeordnete im Landtag.
Mindestens 88 Abgeordnete ziehen ins Erfurter Parlament ein. 44 von Ihnen kommen per Direktwahl aus den Wahlkreisen. Die anderen über die 18 zugelassenen Landeslisten. Die Freien Wähler treten ohne eigene Landesliste an, weil sie sie nicht fristgerecht beim Landeswahlleiter eingereicht hatten. Somit können sie nur mit der Erststimme gewählt werden und über ein Direktmandat ins Parlament einziehen. Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsbürger, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, ihren Lebensmittelpunkt, in Thüringen haben.
Wie lief der Wahlkampf ab?
Überschattet wurde der Wahlkampf in den vergangenen Tagen von Morddrohungen und Übergriffen gegen Politiker aller Parteien. So erhielt CDU-Spitzenkandidat Mohring eine Postkarte, auf die der Absender offenbar auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke bezugnehmend schrieb, er sei "die Nummer zwei, die demnächst einen Kopfschuss von uns erhält". Der Spitzenkandidat der Grünen und Ministerpräsident Bodo Ramelow erhielten ebenso Morddrohungen wie Grünen-Bundeschef Habeck. Er hatte im Thüringer Wahlkampf eine Morddrohung erhalten, in deren Folge die Polizei die Wohnung zweier Personen durchsuchte. Bei einer von ihnen, einem polizeibekannten Rechtsextremen, sollen illegal beschaffte Schusswaffen gefunden worden sein.
Das Haus des FDP-Spitzenkandidaten Thomas Kemmerich wurde mit den Worten "Wer die AfD unterstützt ist unser Feind" beschmiert. Auch AfD-Politiker Björn Höcke erhielt Drohungen und wurde von der Polizei geschützt. Außerdem ging ein Lastwagen seiner Partei in Flammen auf, in dem die AfD Technik für ihren Wahlkampf transportierte. Aber nicht nur dem Spitzenpersonal schlug Hass entgegen, sondern auch denen, die seit Wochen auf der Straße für ihre Partei werben.
Um welche Themen ging es im Wahlkampf?
Ein großes Thema ist die Verkehrsanbindung im ländlichen Raum. Aber auch die digitale Infrastruktur beschäftigt viele Menschen im Freistaat - gerade in den ländlichen Gebieten gibt es oft nur langsames Internet. In der Umweltpolitik wurden vor allem die Schäden im Thüringer Wald problematisiert. Stürme, Trockenheit und Borkenkäferbefall haben Bäumen dort in den vergangenen Jahren erheblich zugesetzt. Auch die Energiewende kommt bei Umweltfragen auf den Tisch. Immer wieder ist zudem die innere Sicherheit ein Thema gewesen, das häufig mit Migration und fehlenden Polizisten verknüpft wird. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Mangel an Pflegepersonal, Erziehern in Kitas und Lehrern an Schulen, der einen hohen Unterrichtsausfall nach sich zieht.