Wiesbaden:Brexit, Türkei, drohende Spaltung: Europa-Themen im Landtag

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Rund 900 Briten haben im Jahr 2017 in Hessen die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt - für Europaministerin Lucia Puttrich ist das nur eine von vielen Folgen des Brexit für das Bundesland. In ihrer Regierungserklärung sprach sich die CDU-Politikerin am Dienstag im Landtag in Wiesbaden gegen nationale Egoismen aus und warb für ein vereintes Europa. Aktuell keine Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft habe die Türkei.

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Rund 900 Briten haben im Jahr 2017 in Hessen die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt - für Europaministerin Lucia Puttrich ist das nur eine von vielen Folgen des Brexit für das Bundesland. In ihrer Regierungserklärung sprach sich die CDU-Politikerin am Dienstag im Landtag in Wiesbaden gegen nationale Egoismen aus und warb für ein vereintes Europa. Aktuell keine Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft habe die Türkei.

„Der Brexit heißt für uns ganz klar, dass die Unternehmen leiden, sei es in Großbritannien, sei es bei uns“, sagte Puttrich. Hessen unterstütze Betriebe bei der Planung mit dem EU-Austritt Großbritanniens. Eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Ifo-Instituts war zu dem Ergebnis gekommen, dass Hessen weniger stark unter dem Brexit leiden wird als Deutschland insgesamt.

Auswirkungen spürt das Bundesland schon jetzt bei den Einbürgerungen: 2015 wollten 100 Briten die deutsche Staatsbürgerschaft, ein Jahr später waren es schon 521, und dann rund 900 im Jahr 2017. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres waren es bereits 120. Das geht aus Zahlen des dafür zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt hervor.

„In keinem Fall darf Europa weiter aufgespalten werden“, sagte Puttrich. Sie begrüßte das Verfahren gegen Polen wegen der umstrittenen Justizreform. Die Grundwerte Europas seien nicht verhandelbar. „Es gibt keine Mitgliedschaft light.“ Einen EU-Beitritt der Länder des Westbalkans wie Montenegro und Serbien befürwortete sie grundsätzlich. Vor einer nochmaligen Erweiterung müsse aber die Reform in der EU stehen.

Die Türkei - seit 2005 Beitrittskandidat - hat Puttrich zufolge aktuell keine Aussicht auf eine Mitgliedschaft. „Die türkische Regierung entfernt sich tagtäglich weiter von den Werten, für die Europa steht“, sagte die CDU-Politikerin, die vor zwei Wochen von einer Delegationsreise nach Ankara zurückgekehrt war. Das Land stehe davor, sich zur Diktatur zu wandeln. „Es herrscht ein Klima der Angst, es herrscht ein Klima der Repression“, sagte sie. Trotzdem sei die Türkei ein wichtiger Partner: Allein in Hessen leben laut Puttrich rund 300 000 türkischstämmige Menschen, etwa 150 000 mit türkischer Staatsangehörigkeit. Sie werde sich daher weiter für die Regionalpartnerschaft mit Bursa einsetzen.

Europa müsse viel mehr im Alltag vermittelt und ins Bewusstsein der Menschen gebracht werden. „Wir leben seit Jahrzehnten in Frieden, Freiheit und Wohlstand. Und das verdanken wir dem vereinten Europa“, sagte sie. Die deutsch-französische Freundschaft sei Grundlage für dieses Europa. Es sei gut, dass das Austauschprogramm Erasmus mehr EU-Geld bekomme. „Wenn junge Menschen sich austauschen, ist das der beste Weg gegen Nationalismus“, sagte sie.

Die deutsch-französische Freundschaft reiche in Zukunft nicht aus, befand der SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel. Er plädierte für eine stärkere Rolle des „Weimarer Dreiecks“ zwischen Frankreich, Deutschland und Polen. Europa brauche ein neues Narrativ, das über die EU als Friedensprojekt und Wohlstandsversprechen hinausgehe und endlich konkret werde. Die Initiative „Pulse of Europe“ hätte hier stärkere Impulse gesetzt als die Landesregierung.

Jan Schalauske von der Linksfraktion kritisierte, dass die von der Türkei gegen Kurden eingesetzten Panzer in Deutschland und zum Teil in Hessen hergestellt wurden. Wer Waffen liefere, bleibe in seiner Kritik unglaubwürdig. Die EU sei fehlerhaft konstruiert, statt Menschen stünde der Markt über alles. Die Vormachtstellung Deutschlands bedeute auch erhebliche wirtschaftliche Ungleichheiten innerhalb der EU. Die Fraport AG hätte von einer „angeordneten Privatisierung“ in Griechenland profitiert und 14 Flughäfen kaufen können. „Öffentliches Eigentum darf man nicht verscherbeln“, kritisierte er.

Jürgen Lenders, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, kritisierte die Abgabe nationaler Kompetenzen an europäische Institutionen. „Subsidarität ist Kernelement der europäischen Idee“, sagte er. Sie führe zu mehr Freiheit, jede Ebene könne so ihre Stärken einbringen. „Lassen wir die EU sich um die großen Themen kümmern, uns aber hier nicht über den Krümmungsgrad von Gurken streiten“, sagte er.

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