Landesparteitag der SPD in Mainz:"In Teilen rechtsextrem" - Malu Dreyer nimmt AfD ins Visier

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  • Auf dem Parteitag der Landes-SPD in Rheinland-Pfalz wird Ministerpräsidentin Malu Dreyer gefeiert.
  • An ihrer Entscheidung, nicht mit der AfD in der Diskussionsrunde aufzutreten, hält Dreyer entschlossen fest.

Von Susanne Höll, Mainz

Die Frau in der roten Jacke hatte noch nicht ein Wort gesagt, als der Versammlungssaal in der Alten Lokhalle im Mainzer Industriegebiet bebte. Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, wird nur kurz vorgestellt. Die Kameras fahren dicht heran an ihr Gesicht. Etwas angespannt schaut sie aus an diesem Samstag, etwas müde. Ihr Konterfei ist groß auf den Leinwänden zu sehen - und die 400 Delegierten des SPD-Landesparteitags mitsamt etlichen Gästen klatschen sich die Hände wund. Dreyer lächelt, winkt in den Saal. Sollte die 54-Jährige gefürchtet haben, dass ihr die Genossen die jüngsten Verwerfungen um die TV-Fernsehberichterstattung übel nehmen, kann sie sich entspannen. Alles auf Malu in Mainz.

In sieben Wochen wird in Rheinland-Pfalz gewählt, seit 25 Jahren regieren die Sozialdemokraten. Aber am 13. März könnte es damit vorbei sein. Die SPD liegt in Umfragen hinter der CDU, für die rot-grüne Landesregierung Dreyers ist derzeit keinerlei Mehrheit in Sicht. Die Rechtspopulisten von der AfD werden, das gilt als nahezu sicher, in den Landtag einziehen. FDP und Linke vielleicht auch. In dieser diffizilen Lage setzt die SPD alles auf eine Karte, besser gesagt: auf eine Frau. Auf Maria Luise Anna Dreyer eben.

Anderswo in der Partei gab es Verwunderung über Dreyer

"Die weltbeste Ministerpräsidentin" ist sie nach Worten von SPD-Bundesgeneralsekretärin Katarina Barley. Innenminister und Parteichef Roger Lewentz sagt, es gäbe in dieser Kampagne auf der Brücke nur Platz für eine Kapitänin. Als "unaufgeregte Stimme der Vernunft", preist man sie vom Podium. Applaus im Saal, Bravo-Rufe, Gejohle. Die Leute halten rote Schilder in die Luft, auf denen nur ein Wort steht: Malu.

Anderswo in der Partei - und in der Öffentlichkeit sowieso - hatte es schon Verwunderung über Dreyer gegeben. Auch ganz normale Sozialdemokraten fragten sich, warum sich ihre Spitzenfrau weigert, in einer Diskussionsrunde mit der AfD im Landessender SWR aufzutreten - und damit einen bundesweit beachteten politischen Eklat auslöste. Ja, sagt SPD-Landesgeschäftsführer Jens Guth, es habe Erklärungsbedarf gegeben.

Stimmt. Mancher, der etwas zu sagen hat im sozialdemokratischen Gefüge, hält die Entscheidung für einen Fehler, taktisch und strategisch. Aber Dreyer und die Spitze haben sich festgelegt: Man wird einen Haltungswahlkampf führen. Und das heißt auch Antifa-Kampagne. Ruhig und ernst erklärt Dreyer auf dem Parteitag, warum das aus ihrer Sicht nötig ist. Die AfD sei in Teilen rechtsextrem, "Nazis" und "Rattenfängern" müsse Einhalt geboten, der Einzug der Partei in den Landtag verhindert werden. "Ich kämpfe bis zur letzten Minute des Wahlkampfes dafür, dass sie nicht einziehen." Sie werde sich nicht, so lange es geht, an einen Tisch setzen mit AfD-Vertretern, mit einer Partei, die sie als eine große Gefahr für die Gesellschaft sehe. Sie habe die Freiheit, dies zu tun und wolle das auch nach der Landtagswahl im März so handhaben. "Ich verstehe nicht, warum ohne Not einer rechtspopulistischen Partei eine Plattform gegeben werden soll." Begeisterung im Saal. Die Auseinandersetzung mit der AfD dient der SPD an Rhein und Mosel zur Mobilisierung der eigenen Leute.

500 Millionen für den Straßenbau

Mit ihrer Herausforderin Julia Klöckner gibt sich Dreyer nicht lange ab. Deren Vorschlag zur Reduzierung der Flüchtlinge in Deutschland mit Hilfe grenznaher Registrierungszentren hätten die Ministerpräsidenten schon längst einmal mit Kanzlerin Angela Merkel verabredet. Kritik auch für Merkel. Die müsse in der Flüchtlingskrise endlich ihre Hausaufgaben machen und eine europäische Lösung finden. Und die Streitereien von CDU und CSU müssten nun aufhören. Der Saal ist begeistert.

Rheinland-Pfalz
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Der Ausschluss aus den TV-Debatten im SWR lässt die AfD größer erscheinen, als sie ist. Die etablierten Parteien müssen lernen, mit dem Neuling umzugehen. Die CDU-Kandidatin setzte heute ein Zeichen.

Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Und ja, es geht auch um Rheinland-Pfalz. Wenn die SPD weiterregiert, soll es 500 Millionen Euro geben für Straßenbau und öffentliche Infrastruktur, etwas mehr als bislang geplant. Mehr Betreuung für Schüler an Nachmittagen und in den Ferien. Einen persönlichen Pflegeberater für Ratsuchende im Land, höhere Zuschüsse für Arbeitnehmer, die ihren Meister machen wollen. Alles wichtige Themen, die an diesem Samstag ins SPD-Wahlprogramm aufgenommen werden sollen. Allein die Bürger reden in diesen Tagen fast ausschließlich über die Frage, wie es denn werden soll mit den Flüchtlingen.

Das macht die Parteien nervös, natürlich auch die SPD. Auf der Bühne steht Dreyer und sagt das Gegenteil. Die anderen seien nervös, die Sozialdemokraten wohlgemut. Kämpfen müsse man, die nächsten Wochen, ohne Rücksicht auf die eigene Person, ohne Angst vor dem körperlichen Zusammenbruch. Denn, so sagt sie: "Wir haben noch ganz viel Luft nach oben."

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