Krise in der Ukraine:Lasst die Krim abstimmen - aber richtig

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Krise in der Ukraine: Prorussische Demonstranten in Sewastopol

Prorussische Demonstranten in Sewastopol

(Foto: AFP)

Viele Menschen auf der Krim wollen die Abspaltung von der Ukraine. Doch wie viele sind es wirklich? Russlands militärisches Eingreifen verhindert eine Antwort auf diese Frage genauso wie die Weigerung Kiews, ein Referendum zu akzeptieren. Putin muss einlenken - aber der Westen auch.

Ein Kommentar von Markus C. Schulte von Drach

Schwere Vorwürfe fliegen hin und her zwischen Ost und West, und auf beiden Seiten sind die Schuldigen schon lange ausgemacht.

In Russland und auf der Krim werden die Kräfte, die hinter dem Machtwechsel in Kiew stehen, pauschal als Faschisten diffamiert. Im Westen dagegen stellen fast alle Medien den russischen Präsidenten als Militaristen und Brandstifter dar.

Aber die westliche Politik handhabt "moralische Maßstäbe und völkerrechtliche Grundsätze mit einer geradezu opulenten Widersprüchlichkeit", warnt die Journalistin Charlotte Wiedemann in der taz. "Ob neue Staaten erlaubt sind, ob ein Referendum Gültigkeit hat, ob ein Putsch legitim ist, eine Intervention gerechtfertigt, eine Bombardierung geboten, all dies ist schlicht eine Frage von Interessen."

Wiedemann hat recht. Beispiele in der jüngsten Vergangenheit sind etwa der Kosovo und Kroatien, Südsudan, Mali, Libyen, Syrien oder die Zentralafrikanische Republik.

Empörung in Europa wirkt auf Russen geheuchelt

Tatsächlich ist Putins Ziel, Russlands Machtbereich auszuweiten, im Prinzip nicht fragwürdiger als die Bestrebungen westlicher Länder, ihren Einflussbereich etwa in Afrika zu vergrößern oder zu erhalten. Klar ist aber auch, dass Russlands Präsident gegenwärtig das Völkerrecht bricht. Dass auch westliche Staaten in der Vergangenheit - etwa im Kosovo-Krieg - dies getan haben, macht es nicht besser. Nur sollte man sich klar darüber sein, dass die Empörung im Westen auf viele Russen geheuchelt wirken dürfte.

Das kommt Putin für seine Propaganda sehr entgegen. Er beruft sich für sein Vorgehen auf der Krim auf politische Vereinbarungen zwischen Russland und der Ukraine, erklärt die Machtübernahme in Kiew für verfassungswidrig und behauptet, es gebe eine humanitäre Katastrophe unter den Russen in der Ukraine. Alles das ist falsch und der Westen muss auf Putins Lügen reagieren, auf die russischen Soldaten auf der Krim, die Falschmeldungen russischer Medien, die Abschaltung ukrainischer Sender auf der Krim. Allerdings sollten der richtige Weg, das richtige Maß und die richtigen Worte gefunden werden.

Denn zugleich muss die Frage gestellt werden, wie Kiew es rechtfertigt, die Forderung vieler Krim-Bewohner nach Unabhängigkeit und einem entsprechenden Referendum einfach abzutun. Es stimmt, dass die Verfassung der Ukraine ein solches Referendum nicht zulässt. Aber lässt sich gar nicht darüber reden? Übergangsministerpräsident Arseni Jazenjuk hat allerdings erklärt, die Ukraine sei "unser Land, wir werden keinen Zentimeter davon aufgeben". In wessen Namen erklärt er die Besitzansprüche auf die Autonome Republik? Die Krim-Bewohner betrachten die Halbinsel sicher nicht als Land, das Politikern in Kiew gehört. Schon vor dem Umsturz in der Hauptstadt war klar, dass viele Menschen auf der Krim sich eher Russland verbunden fühlen als der übrigen Ukraine. Das hat historische Gründe.

Nachdem die Opposition den gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt hat, ist es keine Überraschung, dass viele Menschen auf der Krim ebenfalls ihren Willen durchsetzen wollen. Sie befürchten Nachteile aufgrund der Orientierung der Übergangsregierung in Kiew nach Westen und wegen der Beteiligung rechtsextremer Kräfte.

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