Nahostkonflikt:Friedensinitiative aus Kairo verhallt ohne positives Echo

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Eine Gruppe palästinensischer Flüchtlinge kommt in Rafah an, die Stadt liegt im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten. (Foto: MOHAMMED ABED/AFP)

Verhärtete Fronten: Israel intensiviert Bodenoffensive trotz ägyptischen Vorstoßes für Waffenstillstand. Die Terrororganisation Hamas macht Feuerpause zur Voraussetzung für neue Verhandlungen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Allen Friedensappellen zum Trotz wird im Nahen Osten mit unverminderter Härte Krieg geführt. Premierminister Benjamin Netanjahu kündigte bei einem Truppenbesuch in Gaza an, Israel werde "den Kampf in den kommenden Tagen vertiefen". Die Bodenoffensive verlagert sich dabei zunehmend in den Süden des palästinensischen Küstenstreifens und fordert weiter hohe Opferzahlen. Ägypten schaltet sich unterdessen verstärkt in die Bemühungen um eine Beendigung des Blutvergießens ein. Lanciert wurde dazu aus Kairo eine "Vision" zur Konfliktlösung, die jedoch zunächst nirgends ein positives Echo fand.

Bekannt gemacht wurde der Vorstoß aus Kairo durch Berichte mehrerer arabischer Medien. Vorgeschlagen wird demnach ein Drei-Stufen-Plan: In der ersten Stufe soll eine mindestens zwei Wochen währende Feuerpause die Freilassung von 40 weiteren der insgesamt noch 129 israelischen Geiseln ermöglichen. Wie beim ersten Deal Ende November könnten dafür im Verhältnis 1 : 3 insgesamt 120 palästinensische Häftlinge entlassen werden. Auf beiden Seiten würde man sich dabei auf Frauen, Kinder und Alte beziehungsweise Kranke konzentrieren.

In einer zweiten Phase will Ägypten Weichen für eine Nachkriegsordnung stellen - durch einen Ausgleich der verfeindeten palästinensischen Gruppierungen Fatah und Hamas. Sie sollen dann gemeinsam eine Technokraten-Regierung bilden, die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau koordinieren soll. Die dritte Stufe sieht einen dauerhaften Waffenstillstand und ein Abkommen zum Austausch aller Geiseln gegen Gefangene vor. Israel müsste dazu seine Truppen komplett aus dem Gazastreifen abziehen.

Angesichts der verhärteten Fronten ist dieser Vorstoß wohl nicht viel mehr als ein Versuchsballon, um überhaupt wieder einen diplomatischen Prozess in Gang zu bringen. In der vorigen Woche war der im Exil in Katar lebende Hamas-Chef Ismail Hanija mit einer Delegation in Kairo. In dieser Woche sind hohe Vertreter des mit der Hamas gemeinsam kämpfenden Islamischen Dschihad dort. Beide Gruppen betonen jedoch - ohne direkt auf die ägyptische Initiative einzugehen -, dass sie erst wieder mit Israel verhandeln wollen, wenn zuvor die Waffen schweigen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf ägyptische Sicherheitskreise, dass beide Organisationen auch eine Machtübergabe in Gaza ablehnen.

Parallel zu den Verhandlungen in Kairo hat sich erstmals seit Kriegsbeginn vor mehr als 80 Tagen Jahia Sinwar öffentlich zu Wort gemeldet, der Hamas-Chef im Gazastreifen, den Israels Truppen in einem Tunnelversteck vermuten. Ein nun veröffentlichtes Schreiben Sinwars an das Hamas-Politbüro nährt Spekulationen über zunehmende Differenzen innerhalb der Terrororganisation. Sinwar pocht dabei kompromisslos auf eine Fortsetzung der Kämpfe und prahlt damit, den israelischen Truppen bereits schwere Verluste zugefügt zu haben. Er spricht von rund 1700 getöteten israelischen Soldaten. Nach Angaben der israelischen Armee wurden bislang knapp 160 Soldaten in Gaza getötet.

Israels Regierungschef Netanjahu nannte in einem Autorenbeitrag für das Wall Street Journal "drei Grundvoraussetzungen" für einen Frieden: "Die Hamas muss zerstört, Gaza demilitarisiert und die palästinensische Gesellschaft entradikalisiert werden." Als Vorbild nannte er das Vorgehen der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Japan. Unmut in Israel erregte, dass Netanjahu in diesem Beitrag kein Wort über die Befreiung der Geiseln verlor.

Iran droht: "Tel Aviv steht vor einem harten Countdown."

Härte demonstriert Israel offenkundig auch an einer anderen Front: In einem Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus wurde ein General der iranischen Revolutionsgarden mutmaßlich bei einem israelischen Luftangriff getötet. Rasi Mussawi soll für die militärische Kooperation zwischen Iran und Syrien sowie Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah-Miliz verantwortlich gewesen sein. Israel kommentierte den Vorfall wie üblich nicht, hat aber in den vergangenen Jahren bereits Hunderte Luftschläge in Syrien ausgeführt.

Mussawis Tod löste eine Welle von Drohungen aus. Israel werde "gewiss einen Preis für dieses Verbrechen zahlen", erklärte der iranische Präsident Ebrahim Raisi. Sein Außenminister Hossein Amir-Abdollahian warnte, "Tel Aviv steht vor einem harten Countdown". Die Hisbollah sprach von einer "dreisten Aggression", mit der Israel eine Grenze überschritten habe. Unbeeindruckt davon zeigte sich am Dienstag Israels Verteidigungsminister Joav Gallant. Israel werde derzeit an gleich sieben Fronten attackiert: aus Gaza, dem Westjordanland, Libanon, Syrien, Jemen, Irak und Iran. "Jeder, der uns angreift, ist ein potenzielles Ziel."

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