Militäraufstand in Russland:Auf dem halben Weg nach Moskau

Lesezeit: 1 min

Söldner-Gruppe Wagner soll militärische Einrichtungen in Worononesch kontrollieren: Brennendes Öllager in der Stadt (Foto: IMAGO/Mikhail Sergeyev/IMAGO/ITAR-TASS)

Einheiten der Wagner-Truppe sind auf dem Weg Richtung Norden. Inzwischen sollen sie die südwestrussische Stadt Woronesch erreicht haben.

Von Frank Nienhuysen

Auf dem Weg nach Moskau hat die Söldner-Miliz von Jewgenij Prigoschin am Samstag auch Woronesch erreicht, das auf halbem Weg zwischen Rostow am Don im Süden und der russischen Hauptstadt liegt. Nach Angaben von russischen Sicherheitskreisen haben Wagner-Kämpfer bereits militärische Einrichtungen unter Kontrolle gebracht. Großen Widerstand gibt es trotzdem. Russische Hubschrauber haben in der Region das Feuer auf einen Konvoi der Wagner-Truppe eröffnet, berichteten Augenzeugen.

Der Gouverneur von Woronesch, Alexander Gussew, bestätigte Gefechte und sprach von einem "Anti-Terror-Einsatz" der Behörden. Für Woronesch hat er den Notstand ausgerufen, der Busverkehr wurde gestoppt. Die Stadt mit knapp 900 000 Einwohnern ist eine der größten Städte im europäischen Teil Russlands.

Weithin sichtbare Rauchwolke eines brennenden Öllagers in Woronosch (Foto: IMAGO/Stringer/IMAGO/ITAR-TASS)

Wie angespannt und dramatisch die Lage ist, zeigt die Explosion eines Öllagers am Samstag in der Dmitrowa-Straße von Woronesch. Amateuraufnahmen, die über Telegram verbreitet werden, zeigen einen Feuerball und eine gewaltige schwarze Rauchwolke. "Mama, Mama, ich habe Angst", schreit ein Kind, das zusammen mit seiner Mutter vom Wohnungsfenster aus sieht, wie ein Hubschrauber erst in geringer Höhe vorbeifliegt und kurz darauf die Explosion zu hören und sehen ist. Dann fängt das Kind an zu weinen, die Aufnahme endet. Nach einem Bericht der unabhängigen Medienseite Meduza wurde das Öllager der Firma "Rotes Banner" getroffen. Mehr als hundert Feuerwehrleute seien im Einsatz.

Rückhalt für Putin

Ein Einwohner von Woronesch schrieb in einer Email an die Süddeutsche Zeitung, dass Soldaten in Panzern auf dem Weg in die Stadt seien. Er berichtete sowohl von "Panik" in der Stadt als auch davon, dass "das öffentliche Leben weitergeht" und Menschen in Parks spazieren gingen. Es gebe keine Möglichkeit, die Stadt zu verlassen.

Eine gewaltige schwarze Rauchwolke über einem brennenden Öllager in Woronesch (Foto: IMAGO/Yelena Ruzanova/IMAGO/ITAR-TASS)

Offiziellen Rückhalt bekommt Prigoschin für seinen Aufstand in Woronesch nicht. Der Gouverneur Gussew erklärte in einer Ansprache, dass es keine Rechtfertigung für eine Meuterei gebe und dass er Präsident Wladimir Putin unterstütze. Er rief die Bevölkerung der Großstadt dazu auf, sich nicht provozieren zu lassen und den Oberkommandieren sowie die gesamte russische Armee zu unterstützen.

Auch andere Funktionäre der Stadt und des Woronescher Gebiets äußern sich eindeutig gegen Prigoschins Militäraufstand und nehmen die Lage auch nicht zum Anlass, Putin und den Angriffskrieg gegen die Ukraine in Frage zu stellen. Im Gegenteil: Zumindest an diesem Samstag versammeln sich führende Ärzte und Mitglieder der Gebietsduma sowie der Gesellschaftsversammlung hinter dem russischen Präsidenten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungRussland
:Der Söldner-Coup

Der Aufstand Prigoschins gegen die Armeeführung richtet sich in Wahrheit gegen den Präsidenten. Auch wenn der Milizenchef seine Kraft überschätzt hat - er könnte noch eine wuchtige Dynamik auslösen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: