Interview am Morgen: Abgeordnetenentschädigung:"Mir hätte auch weniger Geld gereicht"

Interview am Morgen: Abgeordnetenentschädigung: Hans-Christian Ströbele, Jahrgang 1939, zählt zu den "Fundis", den Parteilinken, innerhalb der Grünen. Der Rechtsanwalt saß von 1998 bis 2017 im Bundestag.

Hans-Christian Ströbele, Jahrgang 1939, zählt zu den "Fundis", den Parteilinken, innerhalb der Grünen. Der Rechtsanwalt saß von 1998 bis 2017 im Bundestag.

(Foto: AFP)

Wer im Bundestag sitzt, bekommt im Monat mehr als 4000 Euro für Miete, Spenden und Büromaterial. Ob das so bleiben soll, entscheidet heute ein Gericht. Hans-Christian Ströbele erzählt, wofür er die Pauschale ausgegeben hat.

Interview von Jana Anzlinger

Typisch Berliner Politiker! Die bekommen selbst für Stifte und Papier noch ein paar Tausend Euro geschenkt. So schimpfen Kritiker über die sogenannte Kostenpauschale für Bundestagsmitglieder. Die Abgeordneten sollen die monatlich 4339,97 Euro für ihr Wahlkreisbüro, den zweiten Wohnsitz in Berlin, Flyer oder eben Büromaterial verwenden. Das Geld erhalten sie zusätzlich zur Diät, also dem Monatsgehalt, die bei 9780,28 Euro liegt. Zudem werden den Volksvertretern Personal- und Reisekosten erstattet.

Die Pauschale ist so umstritten wie die Diäten selbst. Ein Niedersachse hält sie für verfassungsfeindlich und hat gegen die Kostenpauschale geklagt, am Dienstag entscheidet der Finanzgerichtshof in Hannover.

Überflüssiges Geschenk oder notwendige Kostenerstattung? Der Grüne Hans-Christian Ströbele war fast 20 Jahre lang Abgeordneter und konnte sich eingehends mit dieser Frage beschäftigen.

SZ: Herr Ströbele, Sie saßen von 1998 bis 2017 im Bundestag. Wir haben das mal ausgerechnet: Sie haben über die Jahre hinweg etwa 856 800 Euro Kostenpauschale gekriegt. Zusätzlich zu den 1,2 Millionen Diäten.

Hans-Christian Ströbele: Das ist viel Geld, wenn Sie es sagen. Ich habe das nie berechnet.

Interview am Morgen

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Und was haben Sie damit gemacht?

Ich habe zum Beispiel Kosten im Wahlkampf daraus finanziert, das war für mich als Direktkandidat wichtig. Alle zwei Jahre habe ich einen Rechenschaftsbrief an die Menschen in meinem Wahlkreis geschrieben, die haben sich immer sehr gefreut. Sehr viel habe ich gespendet. Zum Beispiel Flüchtlingsinitiativen in meinem Wahlkreis, die ihre Arbeit gut machten, habe ich so unterstützt. Viele Menschen finden: Wenn wir dich schon wählen, dann kannst du auch mit uns teilen.

Das klingt ja alles sehr nett. Aber die Abgeordneten, die nicht wie Sie aus Berlin kommen, sondern zwei Wohnungen mieten müssen, haben doch einen Nachteil.

Das stimmt. Sie zahlen aus der Pauschale die Zweitwohnung. Es soll auch Leute geben, die sich davon schicke Anzüge kaufen, damit sie im Bundestag anständig aussehen. Damit hatte ich es nicht so.

Jeder einfache Bürger muss eine komplizierte Steuererklärung ausfüllen und Rechnungen sammeln. Und dann werden zum Beispiel Werbekosten nur anteilig erstattet. Warum wird Abgeordneten dieser Aufwand erspart?

Man kann sicher darüber streiten, ob Zahlungen für den Mandatsaufwand auch versteuert werden sollen. Es spricht einiges dafür. Aber Abgeordnete können nicht für alle Ausgaben eine Quittung bekommen, die sie einreichen müssten. Das geht manchmal nicht. Und dann müßte definiert werden, was versteuert wird und was "Werbungskosten" sind.

Das klingt, als würden Abgeordnete ziemlich willkürlich über diese Ausgaben entscheiden.

Es ist eine große Bandbreite an mandatsbedingten Ausgaben. Das liegt vollkommen im Ermessen des Abgeordneten. Der Unterschied zur Diätenzahlung ist natürlich, dass man es im Zusammenhang mit dem Mandat ausgeben soll, also für politische Verpflichtungen. Das ist eben das freie Mandat, dass Abgeordnete für solche Dinge selbst verantwortlich sind.

Bisher haben Gerichte auch immer gesagt, wir mischen uns da nicht ein. Wenn Abgeordnete sich selbst zu stark bedienen, müssen sie das vor ihren Wählern rechtfertigen. Das ist anders als bei anderen Jobs, wo der Vorgesetzte kontrolliert. Die Kontrollettis der Abgeordneten sind das Volk.

Ist der Betrag von 4339,97 Euro also angemessen?

Na ja, der ist ziemlich willkürlich festgelegt. Die mandatsbedingten Ausgaben sind sehr unterschiedlich. Das gilt auch für die Diäten. Vergleichbar sollen die Bezüge etwa von Bundesrichtern sein, aber Abgeordnete liegen noch darunter. Mir hätte auch weniger Geld gereicht.

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