Kosten der Energiewende:Was Strom wert ist

Lesezeit: 3 min

Modernes Leben braucht Strom. Deshalb muss Energie für alle bezahlbar bleiben, das fordert auch der Umweltminister. Allerdings scheut er aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen die Kosten der Energiewende - und vergisst, was für uns alle auf dem Spiel steht.

Marlene Weiss

Ein Leben ohne Strom - das hieße, seine Wäsche bei Kerzenlicht und per Hand zu waschen, Lebensmittel nicht im Kühlschrank, sondern unter der Kellertreppe zu lagern; auf Computer, Fernseher und Stereoanlage zu verzichten. Das kann machen, wer das romantisch findet; aber verlangen kann man derlei heute von niemandem mehr. So gesehen ist richtig, was Umweltminister Peter Altmaier sagt: Energiewende hin oder her, der Strom muss bezahlbar bleiben. Bezahlbar - das heißt aber nicht: billig und unbegrenzt verfügbar. Es heißt nur, dass es auch Menschen mit wenig Geld noch zumutbar sein muss, ihre Stromrechnung zu begleichen.

Stromsparen könnte so einfach sein, doch die wenigsten Menschen gehen sorgsam mit Energie um. (Foto: dpa)

Was aber wäre ein guter Preis für Strom, was ist Strom wert? Ein halbwegs sparsamer Fernseher verbraucht in der Stunde Strom für weniger als drei Cent. Fünf Kilogramm Wäsche bei 40 Grad waschen? Macht 15 bis 30 Cent zusätzlich auf der Stromrechnung. Ein Zimmer einen Abend lang beleuchten? Keine zehn Cent. Die Ausgaben für Strom machen nur 2,5 Prozent des Budgets von privaten Haushalten aus. Das ist kaum mehr, als für Körperpflege ausgegeben wird. Sicher, Körperpflege ist wichtig. Strom aber auch.

Wenn man jedoch sieht, wie die meisten Menschen mit Strom umgehen, muss man sich fragen, ob der vielleicht noch nicht teuer genug ist. Geräte laufen im Stand-by-Betrieb, Lampen brennen Tag und Nacht, alte Kühlschränke fressen Strom, als sei das ihr Hobby. Und das ist nur die Verschwendung in Privathaushalten.

Wenn zum Beispiel eine Autowerkstatt auch am Samstagabend unter Festbeleuchtung steht, ist dies ein Hinweis darauf, dass Energiepreise auch in der Wirtschaft nicht als wirklich belastend empfunden werden. Zwar steigt der gesamte Stromverbrauch in Deutschland nicht mehr dramatisch. Aber er geht auch nicht zurück - obwohl Geräte heute viel effizienter sind als früher.

Der wahre Strompreis ist viel höher

Dabei verursacht Strom viel höhere Kosten als jene, die auf der Stromrechnung stehen. Noch immer stammen etwa 60 Prozent der deutschen Stromproduktion aus fossilen Energieträgern, vor allem Braunkohle und Steinkohle. Der Schaden für Umwelt und Klima wird dem Verbraucher nicht auferlegt, die Natur schickt ja keine Rechnung.

Bezahlen muss er hingegen für den Ausbau erneuerbarer Energien, denn dieser kostet nun einmal Geld. Derzeit beträgt der Beitrag für die Energiewende 3,6 Cent pro Kilowattstunde. Das sind etwa 14 Prozent des Strompreises, den Privatkunden bezahlen; im Durchschnitt etwa zehn Euro pro Haushalt und Monat. Ist das nun viel?

So sparen Sie Energie
:Da geht noch eine ganze Menge

Deutschland will die große Energiewende - weg von der Atomkraft und langfristig auch von Öl, Kohle und Gas. Aber mit der kleinen Energiewende zu Hause kann auch jeder Einzelne einen Beitrag leisten - und zugleich Klima und Geldbeutel schonen.

Markus C. Schulte von Drach

Es ist viel für die Armen, die jeden Cent umdrehen müssen, ja, das schon. Es ist aber nicht viel für die Mehrheit; und es ist nicht viel angesichts dessen, um was es geht. Man könnte den Energiewende-Beitrag sogar auf fünf Cent steigen lassen - und würde doch kaum eine Familie ins Unglück stürzen. Warum also stellt Peter Altmaier die Energiewende in Frage? Ein "bezahlbarer" Strompreis habe "höchste Priorität", sagt er. Wenn er den für wichtiger als die Energiewende hält, dann hat das Land jetzt einen Umweltminister mit sehr seltsamen Prioritäten.

Wenn Umweltminister Peter Altmaier bezahlbare Strompreise fordert, denkt er vermutlich nicht an die Folgen für die Umwelt. (Foto: dapd)

Politiker, die die wirtschaftlichen Folgen der Energiewende mildern möchten, sollten den Menschen helfen, weniger Energie zu verbrauchen - mit Anreizen und Vorschriften. Stattdessen verliert Altmaier offenbar den Mut und zweifelt am Ziel der Bundesregierung, bis 2020 zehn Prozent Strom einzusparen.

Wer sich Sorgen um den Strompreis macht, könnte auch dafür eintreten, die Kosten der Energiewende anders zu verteilen. Die Bundesrepublik leistet es sich, Firmen, die besonders viel Strom verbrauchen, weitgehend von der Umlage für erneuerbare Energien zu befreien - was Einnahmeverluste in Milliardenhöhe bedeutet. Solange das möglich ist, scheint Geld nicht das Problem bei der Energiewende zu sein.

Tarifwechsel? Zu anstrengend

Zugegeben, Strom ist für Haushalte erheblich teurer geworden, seit 2007 um fast 30 Prozent. Der Beitrag für erneuerbare Energien macht davon aber nicht einmal die Hälfte aus; der größere Teil geht auf Preiserhöhungen der Stromerzeuger zurück. Die Verbraucher ärgern sich zwar gern über teuren Strom; aber offenbar nicht genug, um etwas dagegen zu tun.

Fast jeder zweite deutsche Stromkunde bezieht Strom von seinem Grundversorger im Standardtarif. Mit einem Tarifwechsel könnte man sparen, mit dem Wechsel zu einem anderen Anbieter noch mehr. Aber schon dieses bisschen Mühe wollen sich die meisten nicht machen.

Die Leute geben Geld für Autos aus, für Hunde, Tennisschläger und Nagellack. Niemand käme auf die Idee, zu beklagen, dass das Geld kostet. Nur Strom und Energiewende sollen möglichst umsonst sein. Und der Umweltminister übernimmt diese Haltung auch noch.

© SZ vom 17.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: