Konflikte:Wegner: Judenhass auf Berlins Straßen ist eine Schande

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Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, und Franziska Giffey (SPD), Berliner Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe. (Foto: Carsten Koall/dpa)

In Berlin gibt es immer wieder palästinensische Demonstrationen mit antisemitischen Untertönen. Die Polizei will das verhindern. Der Regierende Bürgermeister bezieht klar Position gegen Judenhass.

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Berlin (dpa/bb) - Nach den Ausschreitungen bei palästinensischen Demonstrationen hat sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner demonstrativ an die Seite Israels und der jüdischen Gemeinschaft gestellt. Das Existenzrecht Israels, sein Recht auf Selbstverteidigung und seine Sicherheit seien unverhandelbar, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus. „Berlin steht voll und ganz an der Seite Israels“, fügte er im Beisein des israelischen Botschafters in Deutschland, Ron Prosor, hinzu, der als Gast an der Parlamentssitzung teilnahm.

In dieser Woche hatte sich die Aggressivität bei Ansammlungen und Protesten von Unterstützern Palästinas und Gegnern Israels im aktuellen Nahost-Konflikt in Berlin von Abend zu Abend gesteigert. Am Mittwoch ging die Polizei wegen des Verbots solcher Demonstrationen strikt und heftig gegen protestierende Menschen auf der Sonnenallee vor und nahm nach eigenen Angaben 194 von ihnen vorläufig fest.

Demonstranten warfen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper. In Sprechchören skandierten die Menschen: „Free Free Palestine“. Palästina-Tücher waren zu sehen, an manchen Geschäften und Cafés hingen Palästina-Fahnen. Für Donnerstagabend wurde Ähnliches erwartet.

Wegner verurteilte die Sympathiebekundungen für die Hamas und Hass gegen Israel in der Hauptstadt. „Es ist eine Schande, dass wir Antisemitismus und Hetze auf unseren Straßen erleben müssen.“ Es sei auch eine Schande, dass Jüdinnen und Juden und ihre Einrichtungen angegriffen würden. „Das ist ein Schandfleck“, so Wegner. „Wir dürfen diesen Fleck nicht größer werden lassen.“

Solidarität mit jüdischer Gemeinschaft

Wegner versicherte der jüdischen Gemeinschaft in Berlin seine uneingeschränkte Solidarität. Er nannte es ein großes Glück, dass es nach dem Holocaust wieder vielfältiges jüdisches Leben gebe. „Alle Jüdinnen und Juden in Berlin sollen wissen: Ihr seid nicht allein.“

Wer die Berliner Geschichte kenne, den könne es nicht kalt lassen, wenn Davidsterne an Häuser geschmiert oder Brandsätze auf eine Synagoge geworfen würden. „Brandsätze auf Synagogen sind Brandsätze mitten ins Herz unserer Stadt.“ Berlin dürfe kein Angstraum für Jüdinnen und Juden sein. Wegner kündigte an, die Polizei werde mit allen verfügbaren Mitteln für Sicherheit in Berlin und für den Schutz jüdischen Lebens sorgen.

Generalstaatsanwaltschaft ermittelt zu Angriff auf Synagoge

Unterdessen übernahm die Berliner Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen zu dem versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge in der Nacht zu Mittwoch. Grund sei der eskalierende Charakter des Angriffs wegen der Situation im Nahen Osten und der Demonstrationen in Berlin. Zwei vermummte Täter hatten am Mittwochabend sogenannte Molotowcocktails in Richtung der Kahal Adass Jisroel Synagoge in der Brunnenstraße geworfen. Die Brandsätze schlugen nur auf dem Bürgersteig auf.

Die Polizei will jüdische Einrichtungen nun durch mehr Absperrgitter schützen. „Beim Schutz von Objekten müssen wir vermehrt auf Technik setzen. Wir werden zum Beispiel Synagogen und andere Objekte stärker abgittern“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik der Zeitung „B.Z.“. Die Personallage der Polizei sei durch die ständigen großen Einsätze bei Ansammlungen von protestierenden Palästina-Unterstützern „sehr angespannt“, sagte Slowik. „Wir müssen Kolleginnen und Kollegen aus ihren freien Tagen in den Dienst beordern.“ Nötig sei auch Unterstützung durch die Bundespolizei und andere Bundesländer.

Wegner will Hass und Intoleranz nicht tolerieren

Hass passe nicht zu einem weltoffenen und toleranten Berlin, sagte Wegner. Er appellierte an alle Menschen in der Stadt, dagegen aktiv zu werden. „Unser Berlin ist stärker als Hass und Ausgrenzung“, sagte er. „In dieser Stadt darf und wird niemals Intoleranz auf Toleranz treffen.“

Die Bilder des barbarischen Massakers der palästinensischen Hamas in Israel machten sprachlos, sagte Wegner. „Und sie zwingen uns gleichzeitig zu einer klaren Haltung.“ Wegner weiter: „Aber wir denken auch an die Menschen in Gaza. Auch die Familien und Kinder in Gaza sind Opfer der Hamas.“

Landesparlament verabschiedet Resolution

Das Landesparlament zeigte sich in einer Resolution solidarisch mit Israel. „Das Abgeordnetenhaus von Berlin verurteilt den Terror der Hamas gegen Israel auf das Schärfste“, heißt es in dem Beschluss. „Die Sicherheit des Staates Israel ist für uns Verpflichtung und deutsche Staatsräson.“ Berlin sei Israel nicht nur historisch, sondern auch in einer demokratischen Wertegemeinschaft eng verbunden. Jüdisches Leben sei „integraler Bestandteil“ der Stadt. „Dies schützen und unterstützen wir.“

Linke warnt vor Verbotspolitik

Bei der Debatte über das Thema im Parlament zeigten sich aber auch Unterschiede zwischen den Parteien. Linke-Fraktionsvorsitzende Anne Helm warnte vor dem Ruf nach umfassenden Verboten etwa von pro-palästinensischen Demonstrationen. „Trauer, Sorge und Wut über den Verlust von Angehörigen müssen in unserer Gesellschaft besprechbar sein. Sonst haben die Propagandisten leichtes Spiel“, sagte sie.

Es sei auch keine Lösung, das Tragen eines Palästinensertuchs und anderer palästinensischer Symbole an Schulen zu verbieten. „Pauschale Verbote fördern Sprach- und Hilflosigkeit. „Stattdessen brauchen wir sofort eine Offensive von Bildungs- und Dialogangeboten.“

Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch forderte mehr Unterstützung für Projekte wie von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus oder der Amadeu Antonio Stiftung. Sie arbeiteten am Limit, gerade in den Tagen seit dem 7. Oktober, sagte Jarasch und verlangte vom Senat finanzielle Soforthilfen.

AfD fordert strenge Kontrolle der Einwanderung

AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker forderte Konsequenzen für die Migrationspolitik: „Die jüngsten antisemitischen Ausschreitungen in Berlin haben uns vor allem eines deutlich vor Augen geführt: Wir erleben einen enormen Anstieg des eingewanderten Antisemitismus“, sagte sie. Es sei notwendig, streng zu kontrollieren, wer nach Deutschland komme. Sie sprach sich außerdem für verstärkte Ausweisungen aus. „Wer als Bürger eines anderen Landes den Terror gegen Israel gutheißt, hat in Deutschland nichts verloren.“

Bei dem Terrorangriff der radikalislamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober und den Tagen danach wurden nach offiziellen Angaben mehr als 1400 Israelis getötet. Bei den folgenden Luftschlägen der israelischen Armee auf den Gazastreifen starben seither nach Angaben der Palästinenser Tausende Menschen.

© dpa-infocom, dpa:231019-99-627453/3

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