Hier 16 mächtige Fürsten der Sicherheit, dort ein eher schmächtiger Bundesminister. In der alten Bundesrepublik war dies die Rollenverteilung in der Kriminalpolitik. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 aber sind viele Befugnisse zum Bund gewandert. Wenn Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nun zur Konferenz seiner 16 Länderkollegen kommt, dann zwar noch immer als "Gast" ohne eigenes Stimmrecht. Aber als selbstbewusster, manche Fürsten meinen sogar gieriger Gast, der ihnen etwa die Zuständigkeit für den Verfassungsschutz am liebsten ganz entreißen möchte. Bei dieser Innenministerkonferenz, die noch bis diesen Mittwoch in Dresden stattfindet, stehen ungewöhnlich viele politische Vorschläge auf der Agenda.
Mehr Schleierfahndung
Es gibt bislang nur drei Bundesländer, die auf diese umstrittene Form der Polizeikontrolle verzichten - Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin. Die Unions-Innenminister wollen, dass sie diese "Lücke" schließen. Der SPD-Innensenator von Berlin, Andreas Geisel, entgegnet ihnen: In Berlin habe man die Schleierfahndung 2004 abgeschafft, "weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis standen". Von Schleierfahndung ist umgangssprachlich die Rede, wenn Polizisten Passanten oder Reisende ohne konkreten Verdacht anhalten, durchsuchen und Personalien kontrollieren. Das Problem ist, dass Polizeibeamte sich mangels konkreten Verdachts oft auf das Aussehen stützen. Dabei besteht die Gefahr rassistischer Diskriminierung, weshalb ein US-Gericht die dort "stop and frisk" genannte Praxis schon mal für verfassungswidrig erklärt hat. Auch der Europäische Gerichtshof hat dies unter Hinweis auf die Gefahr eines "Racial Profiling" zumindest für den Grenzverkehr verboten.
Kinder beobachten
Der Junge war zwölf, als er im vergangenen Advent einen Sprengkörper auf dem Weihnachtsmarkt von Ludwigshafen deponierte. Was die Geschichte besonders verstörend macht, hat kürzlich Thomas Beck beschrieben, Terrorismus-Abteilungsleiter beim Generalbundesanwalt. Keineswegs sei das Ludwigshafener Kind, das mit seinem Attentat glücklicherweise scheiterte, nur ein Opfer gewesen. "Sondern einer, der sehr aktiv war" in der online kommunizierenden islamistischen Szene - "auch auffordernd gegenüber anderen". Solche Fälle haben sich zuletzt gehäuft. Die Messerattacke auf einen Polizisten in Hannover verübte eine 15-Jährige, die angeblich schon mit elf in islamistischen Foren unterwegs war. Die Bombe vor einem Sikh-Tempel in Essen pflanzten zwei 16-Jährige.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert mit Blick auf diese Taten, dass der Verfassungsschutz Kinder jeden Alters ausspionieren dürfen soll. Schon im vergangenen Jahr hat die große Koalition die Altersgrenze, von der an das Bundesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse speichern darf, von 16 auf 14 Jahre gesenkt. Einige Bundesländer zogen nach, etwa das damals rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen. Wenn nun die SPD den bayerischen Vorstoß, die Altersgrenze ganz fallenzulassen, ablehnt, dann dürften einige Unions-Innenminister trotzdem diesen Weg beschreiten - jeder für sich.
Ob sie an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen werden? Anders als im Strafrecht, wo die Mündigkeit mit 14 Jahren beginnt, gilt bei der Gefahrenabwehr keine absolute Grenze, sagt Nikolaos Gazeas, der an der Universität Köln das Recht der Nachrichtendienste lehrt. Auch bei kriminellen Banden komme es vor, dass sie strafunmündige Kinder einsetzten, etwa als Drogenkuriere oder zum Schmierestehen. Die Polizei sei nicht prinzipiell gehindert, sie zu beobachten. "Auch ein Kind kann eine Gefahr verursachen, und die nachrichtendienstliche Schiene ist auch nur eine Vorverlagerung des Gefahrenabwehrgedankens", sagt Gazeas. Allerdings müssten für die Beobachtung von Kindern sehr kurze Löschfristen und ein besonders strenger Datenschutz gelten. Und es sei kaum vorstellbar, wie die Spionage gegen kleinere Kinder, etwa einen Zehnjährigen, jemals als verhältnismäßig durchgehen würde.