Viel Lärm um nichts? Ganz so frustrierend ist das Ergebnis des G-20-Treffens in Hamburg nun auch wieder nicht. Gewiss, dieser Gipfel war der beschwerlichste, seit sich die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer 1999 wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise als Gruppe formiert haben. Das lag zum guten Teil daran, dass der neue US-Präsident Donald Trump so sperrig und beunruhigend unter den anderen Staats- und Regierungschefs wirkte wie ein Grizzlybär in einer Seilschaft von Bergsteigern. Umso bemerkenswerter ist es, dass dieser Gipfel weder in einem Eklat noch in einem Pseudo-Konsens endete. Die Gemeinsamkeiten wurden hart erarbeitet, das Trennende klar benannt.
Gemeinsam ist den G 20, die zwei Drittel der Menschheit repräsentieren, dass sie überhaupt Interessen ausmachen können, die über die Egoismen der einzelnen Staaten hinausgehen und Ansätze eines Weltgemeinwohls definieren. Dazu gehören der Kampf gegen den Terror und die - allerdings noch unzureichende - Hilfe gegen den Hunger und für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Vor allem aber geht von diesem Treffen die Botschaft aus, dass es nicht einmal die Vereinigten Staaten, das vorerst noch mächtigste Land der Welt, schaffen, die anderen vom Klimaschutz abzubringen.
G-20-Verhandlungen:Beim Gipfel steht es 19 gegen die USA
Ob Handelsfragen oder Klimaschutz - schon am ersten Tag des G-20-Treffens in Hamburg wird offenbar, wie einsam US-Präsident Trump dasteht.
Die Versuchung war ja da. Wenn sich die USA brutal ihrer Verantwortung entziehen, warum sollten sich dann Länder wie China, Brasilien oder Indonesien dazu bekennen, die wirtschaftlich noch so viel aufzuholen haben? Sie haben es dennoch getan, auch Saudi-Arabien, das buchstäblich auf fossile Brennstoffe, also Erdöl und Erdgas, gebaut ist.
Alle außer Trump standen in Hamburg zum Klimavertrag von Paris, was zeigt, dass die Welt zur Not auch ohne, ja gegen die USA handlungsfähig sein kann. Die Einsicht scheint sich durchzusetzen, dass die rasante Erderwärmung fast allen schadet. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der für die junge Generation steht, peilt die nächste Klimakonferenz noch in diesem Jahr in Paris an. Dass der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan gleich wieder Abstriche von seinem Bekenntnis zum Klimaschutz machte, ist ein Sonderproblem, das am Konsens der anderen nichts ändert. Erdoğan möchte, dass seine Türkei als Entwicklungsland eingestuft wird. Wenn er weiter so regiert, könnte er das bald erreichen.
Bemerkenswert ist auch, dass sich diese G 20 - trotz der nationalistischen Welle der vergangenen Jahre - wieder grundsätzlich zum Freihandel bekennen. Industrie- und Schwellenländer, Demokratien und Diktaturen eint die Erkenntnis, dass Austausch fruchtbarer ist als Abschottung. Chinas Präsident Xi Jinping muss allerdings erst noch beweisen, dass sein Schwur auf die Handelsfreiheit mehr ist als ein taktisches Lippenbekenntnis, um die USA zu isolieren und eigene Weltmachtsziele zu verfolgen.
Neben den G 20 bräuchte es eine Gruppe der Gleichgesinnten
Einer beharrlichen Bundeskanzlerin ist es in Hamburg immerhin gelungen, formal sogar Trump in den Freihandels-Konsens einzubinden. Angela Merkel (CDU) gibt die Hoffnung nicht auf, den amerikanischen Präsidenten allmählich zu zähmen und zumindest von einigen besonders großen Dummheiten abzuhalten. Falls das in der Weltpolitik jemandem gelingen könnte, dann vielleicht ihr. Fürs Erste hat Trump in Hamburg nicht, wie befürchtet, Strafzölle verkündet und damit den Verhandlungstisch umgeworfen. Dies dürfte auch daran liegen, dass die Europäische Union für diesen Fall klar und glaubhaft mit Gegenmaßnahmen drohte. Die EU schlägt sich besser in dieser schwierigen Zeit, als noch vor wenigen Monaten erwartet. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Zusammenarbeit unter den Staaten vier Jahre Trump übersteht.
Allerdings ist der US-Präsident, um im Bild von der Seilschaft zu bleiben, nicht der einzige Problembär. Erdoğan, Wladimir Putin und Xi sind autoritäre Machtmänner mit despotischen Zügen, denen die Herrschaft ihrer Person oder ihrer Partei weitaus wichtiger ist als das Gedeihen anderer Länder oder gar der Menschheit. Sie schüren in ihren Ländern den Nationalismus, weil er sie trägt. Die Schwächung der USA durch Trump ist ihnen hochwillkommen. Das wird die G 20 und die gesamte internationale Zusammenarbeit immer wieder gefährden.
Umso wichtiger ist es, dass die anderen ihre Kräfte bündeln. Jene Staats- und Regierungschefs also, die ihre Macht nur als geliehen und begrenzt betrachten und die verstehen, dass das Wohl ihrer Länder immer stärker vom Wohl der Welt abhängt. Zu ihnen zählen Merkel, Macron und der Kanadier Justin Trudeau. Sie sollten eine neue G-Gruppe gründen: die Gruppe der Gleichgesinnten.