Katholische Kirche:"So wahr mir Gott helfe"

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"Die beiden Dokumente, um die es hier geht, habe ich bis heute nicht gesehen": Mit seinem Eid auf diese Aussage hat sich Kardinal Woelki keinen Gefallen getan. (Foto: Henning Kaiser/DPA)

Gegen Kardinal Rainer Maria Woelki wird wegen Verdachts auf Meineid ermittelt - und ein neues Dokument bringt den Kölner Erzbischof noch mehr in Bedrängnis.

Von Christian Wernicke und Annette Zoch, Köln

Der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki gerät immer tiefer in die Bredouille. Nicht nur ermittelt seit Mittwoch die Staatsanwaltschaft Köln wegen eines Anfangsverdachts des Meineids gegen ihn. Inzwischen ist zudem ein weiteres Dokument aufgetaucht, das den Erzbischof schwer belastet; es liegt dem WDR und der Katholischen Nachrichten-Agentur vor.

Es handelt sich um das Protokoll einer zweitägigen Sitzung Woelkis mit den Stadt- und Kreisdechanten des Erzbistums im September 2022. Dieses Gremium führender regionaler Kirchenvertreter habe den Medienberichten zufolge mit Woelki ausführlich über den Fall eines Priesters gesprochen, dem Missbrauch vorgeworfen wurde und den Woelki im Jahr 2017 befördert hatte.

Er leistete einen Eid, der nicht hätte sein müssen

Genau jener Fall ist auch Gegenstand eines presserechtlichen Verfahrens zwischen Woelki und dem Axel-Springer-Verlag. Ende April hatte Woelki in erster Instanz zwar recht bekommen; weil Springer jedoch am 26. April in Berufung ging, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

In dem Verfahren war Woelki am 28. März als Zeuge in eigener Sache vorgeladen. Vor der für Pressesachen zuständigen 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln stellte er sich einer sogenannten Parteivernehmung: Der Kardinal wehrte sich gegen Darstellungen der Bild, er habe als Erzbischof im Jahr 2017 den Priester befördert, obwohl ihm bereits damals schwere Vorwürfe gegen den Kirchenmann bekannt gewesen seien.

Woelki bestritt konkret, zwei den Priester belastende Dokumente gekannt zu haben. Einmal ging es um das Protokoll mit Vorwürfen eines heute 35 Jahre alten Zeugen, der bereits 2010 Anschuldigungen gegen den Priester vorgebracht hatte. Das zweite Dokument war ein Polizeibericht von 2001, der die Kirche auf Kontakte des Priesters zu einem 16-jährigen Prostituierten hinwies und warnte, den Kirchenmann nicht mehr in der Jugendarbeit einzusetzen.

Woelki gewann zwar in erster Instanz (AZ 28 O 293). Doch zugleich redete er sich mit seiner Aussage vom 28. März in neue Schwierigkeiten. Unnötig in der Sache und sogar unter Eid. Zum Ende seiner Parteivernehmung nämlich hatten die Vertreter des Springer-Verlags verlangt, Woelki solle seine Aussage beeiden. "Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe", sprach der Kardinal. Und ging.

Und er sagte mehr, als er hätte sagen müssen

Damit jedoch beeidete Woelki eine Aussage, die ihm nun als Meineid zum Verhängnis werden könnte. Gleich zu Anfang seiner Vernehmung nämlich hatte Woelki mehr gesagt, als ihm abverlangt wurde. Der Kardinal betonte nicht nur seine Unkenntnis der Aktenlage bis zum Jahr 2017 - sondern auch bis in die Gegenwart. Richter Dirk Eßer da Silva las dem Zeugen in eigener Sache nochmals vor, was er zu Protokoll nehmen wollte: "Die beiden Dokumente, um die es hier geht, habe ich bis heute nicht gesehen." Bis heute, also bis zum 28. März 2023, nicht gesehen? Woelki billigte das Zitat, die Notiz steht seither gerichtsfest in den Akten.

Vier Wochen später ging dann die Strafanzeige gegen Woelki wegen Verdacht des Meineids ein. Der Urheber der Anzeige verwies auf einen Brief Woelkis an die Glaubenskongregation in Rom aus dem Jahr 2018, in dem er von den Vorwürfen gegen den Priester berichtete und um weitere Weisung bat.

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Wie passt es zusammen, dass der Erzbischof vor Gericht behauptet, er habe die betreffenden Dokumente zu dem beschuldigten Priester nicht gelesen, zwei Jahre zuvor aber einen detaillierten Brief dazu nach Rom geschickt hat? Das Erzbistum Köln antwortete, Woelki habe das Schreiben zwar abgezeichnet, er könne sich aber nicht erinnern, es im Einzelnen gelesen zu haben.

Das nun aufgetauchte Protokoll nährt Zweifel an dieser Darstellung: Denn laut dieser Mitschrift soll Woelki den Dechanten voriges Jahr von genau jenem Brief an die Glaubenskongregation aus dem Jahr 2018 berichtet haben. Auch habe der Erzbischof später sogar von einer Antwort aus Rom berichtet. Das Erzbistum Köln verwies auf SZ-Anfrage auf die Vertraulichkeit der Sitzung und wollte sich zum Protokoll nicht äußern.

Laut Paragraf 154 Strafgesetzbuch wird Meineid vor Gericht mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

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