Köln, so sagen die Eingeborenen selbst, reime sich auf Karneval und Klüngel. Diesmal kommt beides auf einmal: Ein interner Prüfbericht der Stadtverwaltung offenbart massive Mängel bei der Kontrolle und Bezahlung eines privaten Sicherheitsdienstes, der seit fünf Jahren - oder Karnevalssessionen - vom Rathaus für die Sicherheit während "der fünften Jahreszeit" entlohnt wird. Der Report empört den Rat, erschüttert die Verwaltung - und hat bereits eine Führungskraft im Ordnungsamt aus dem Büro vertrieben. Auf Geheiß seiner Vorgesetzten soll der Mann vorerst Überstunden und Urlaub abbauen.
Die Höhe des Schadens für die Stadt lässt sich nicht mal genau beziffern. Denn dazu hätte das Rechnungsprüfungsamt etwa vollständige Abrechnungen oder verlässliche Angaben benötigt, wie viele Ordnungskräfte wann und wie lange Menschenmassen lenkten, betrunkene Jecken stützten oder das Glasverbot auf der Feiermeile im "Kwartier Latäng" nahe der Kölner Uni durchsetzten. Immer wieder heißt es in dem 57-seitigen Prüfbericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, Vorgänge seien "nicht dokumentiert", Zahlungen "nicht nachvollziehbar" oder lediglich "mündlich vereinbart" worden. Zur Rechtfertigung für solch lückenhafte Buchführung hieß es aus dem Ordnungsamt, man habe "dem "Wunsch eines langjährigen vertrauensvollen Geschäftspartners" entsprechen wollen.
Oft wusste die Stadtverwaltung nicht mal, wer für sie arbeitete
Solches Gebaren erinnert an den legendären Satz, mit dem vor Jahrzehnten der frühere Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer das Lebensgefühl seiner Mitbürger beschrieb: "Mer kenne uns, mer helfe uns." Nur so ist vielleicht erklärlich, wieso viele Ordner vor ihrem Einsatz nicht der eigentlich vorgeschriebenen "Zuverlässigkeitsprüfung" durch die Polizei unterworfen wurden. Oder warum das Ordnungsamt nie einen pauschalen Preisnachlass in Höhe von fünf Prozent (circa 40 000 Euro) einforderte, den der Dienstleister doch selbst angeboten hatte.
Oft wusste die Stadtverwaltung nicht mal, wer da eigentlich für sie arbeitete: 2021 etwa kannte das Amt elf von 25 Subunternehmen nicht namentlich. Ein Rätsel blieb den Prüfern auch, wie das Ordnungsamt 2019 auf die Forderung des Sicherheitsunternehmers nach einer Erhöhung des "Stundenverrechnungssatzes" um zwei Euro reagierte: Seit 2020 zahlte das Amt gleich drei Euro mehr. Auch Verstöße gegen das Arbeitsrecht durch manche Subunternehmer (zu lange Dienstzeiten, zu geringer Lohn) blieben vielfach ungeahndet.
Der Sicherheitsdienstleister selbst - die Master Logistics GmbH mit Sitz in Bergisch Gladbach - schweigt bisher zu allen Mängeln. Man sei gegenüber der Stadt Köln "vertraglich gebunden", sagt eine Mitarbeiterin auf SZ-Anfrage am Telefon, zu den Vorwürfen könne sie zwar etwas sagen - "aber ich darf nicht".
Polizeibeamte verglichen das Gedränge mit der Love-Parade 2010 in Duisburg
Unter Druck in Köln steht nun Andrea Blome, Stadtdirektorin und Ordnungsdezernentin. Blome richtete am Mittwoch eine Stabsstelle zur Krisenbewältigung ein, drohte dem Sicherheitsunternehmen mit nachträglichen Sanktionen. Allerdings bleibt die CDU-nahe Dezernentin vorerst wohl auf Master Logistics angewiesen: In nur zwei Monaten, am 11. 11., lauert der vor allem unter jungen Menschen beliebte und bei den Stadtoberen berüchtigte Beginn der nächsten Karnevalssession.
Erneut dürften 50 000, vielleicht sogar 70 000 Menschen in die Zülpicher Straße strömen und, oft schwer alkoholisiert, feiern. Erst diese Woche gab die Kölner Polizei preis, dass vor einem Jahr am Eingang zur Feiermeile Zustände geherrscht hätten, die erfahrene Polizeibeamte an das Gedränge bei der Love-Parade 2010 in Duisburg erinnerten - mit damals 21 Toten.
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Einer, der diese Zustände entsetzt beobachtet, ist Markus Vogt, Vorstand der "IG Gastro im Kwartier Latäng". Die Stadt, so sagt der Wirt, lasse die Feierlichkeiten im Quartier trotz der Gefahrenwarnungen vieler Anwohner und Wirte immer größer werden. Er habe den Eindruck, dass diese "exponentielle Zunahme der Besucher das eigentliche Ziel der Sache war". Derweil seien die Kosten für die Sicherheit stetig gestiegen, auf zuletzt fast drei Millionen Euro: "Da darf man als Bürger schon mal laut nachdenken, ob da nicht auch das Potenzial für Korruption mitwächst."