NRW: Ampel gescheitert:Laue Sommernächte machen noch keine Regierung

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Nach dem Scheitern der Ampelkoalition redet sich SPD-Chefin Kraft die sinnlosen Sondierungsgespräche schön. Doch den NRW-Sozialdemokraten droht der Koalitions-Gau.

Bernd Dörries

Nach mehr als zehn Stunden kommt Hannelore Kraft durch die Tür, wünscht einen schönen "Guten Morgen" und sagt, man habe nun eine Reihe von Sondierungsgesprächen hinter sich gebracht. "Und ich möchte keines davon missen." Das sei durchaus ihr Ernst, beteuert die nordrhein-westfälische SPD-Fraktionschefin.

Erklärungsversuche in Düsseldorf: Grünen-Chefin Sylvia Löhrmann (links) und SPD-Frontfrau Hannelore Kraft erteilen einer Ampelkoalition mit der FDP in Nordrhein-Westfalen endgültig eine Absage. (Foto: dpa)

Es klingt, als würde sie gerne mehr solche lauen Sommernächte in der Nähe des Rheins verbringen. Letztlich ist es aber vor allem der Versuch, den vier Wochen seit der Landtagswahl einen Sinn zu geben.

Die politische Kultur im Land habe sich verbessert, lobt Kraft. Alle Parteien haben einmal miteinander geredet, statt nur übereinander herzufallen.

Es ist Freitagmorgen, gegen halb eins. Hannelore Kraft versucht zu erklären, warum die Gespräche mit FDP und Grünen über eine Ampelkoalition soeben gescheitert sind, warum Nordrhein-Westfalen immer noch keine neue Regierung hat.

Schuld am Scheitern sind die anderen

"Es war klar, das es mit der FDP keine Zielperspektive mehr gab", sagt Kraft. Die Partei habe nicht mit einer Stimme gesprochen, die Lagerkämpfe von Gegnern und Befürwortern einer Ampelkoalition hätten die weiteren Verhandlungen unmöglich gemacht. "Während die einen Zustimmung signalisierten, haben andere heftig widersprochen", assistiert Sylvia Löhrmann, die Grünen-Fraktionschefin.

Die FDP sieht das natürlich völlig anders und gibt SPD und Grünen die Schuld am Scheitern. "Das Gesprächsklima hat sich deutlich verhärtet in der letzten Stunde", sagt Parteichef Andreas Pinkwart. Die Grünen hätten die FDP massiv unter Druck zu setzen versucht. Vor allem die SPD hätte gerne am heutigen Freitag noch einmal sondiert, für sie wäre eine Ampelkoalition der angenehmste Weg, Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin zu machen.

Letztlich stieg die FDP als Erste aus den Gesprächen aus, aber auch die Grünen zeigten wenig Lust noch weiterzumachen - und kaum Bewegung in den Sachfragen. FDP und SPD waren hingegen in den großen Streitthemen Studiengebühren und Schulpolitik überraschend bewegungsbereit.

Vertreter von FDP und vor allem der Grünen hatten sich bereits vor dem Gespräch äußerst skeptisch über die Erfolgsaussichten geäußert, was SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft sehr verärgert hatte. Die SPD war bereit, große Zugeständnisse zu machen für eine Ampel und fordert das auch von den Grünen.

Die aber wollen nicht recht, befürchten Bevormundung durch die SPD und sehen sich in einer Ampelkoalition als potentieller Verlierer. Sie wären dann nicht das bürgerliche Korrektiv einer eher linken SPD, sondern müssten sich links von Sozialdemokraten und FDP positionieren, was ihrer Öffnungspolitik der vergangenen Jahre widerspräche.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die SPD kein Interesse an einem Rückzug Rüttgers hat.

Am Freitagabend will der SPD-Vorstand über das weitere Vorgehen beraten. Bei manchem in der Partei ist eine nervöse Gereiztheit zu spüren, es nahen die Tage der Entscheidung. Die Sozialdemokraten müssen überlegen, wie es nun weitergeht.

Noch vor kurzem hatten sich viele in der SPD positiv über eine Minderheitsregierung geäußert: Kraft könnte sich mit Stimmen der Grünen und Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen, den Landtag innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes auflösen und es so zu Neuwahlen kommen lassen - mit der Hoffnung, dass es bei den schlechten Umfragewerten für CDU und FDP dann für Rot-Grün reicht.

Der Mut der ersten Tage ist aber mittlerweile geschwunden. Viele in der SPD halten eine Tolerierung durch die Linken für ein unkalkulierbares Risiko. Unsicher ist auch die Mehrheit für die Parlamentsauflösung, an der neben CDU und FDP auch die knapp in den Landtag eingezogene Linke kein Interesse haben dürfte.

Einige CDU-Strategen waren in den vergangenen Tagen wie paralysiert von der Möglichkeit, dass sich die anderen zu einer Ampel zusammenschließen könnten. Scheitern die Verhandlungen über das Dreierbündnis, könnte sich die CDU wieder ins Spiel bringen: wenn Ministerpräsident Jürgen Rüttgers auf sein Amt verzichtet - oder die Partei jemanden findet, der ihn dazu bringt.

Danach sieht es derzeit nicht aus. Rüttgers machte der SPD am Donnerstag ein Angebot zu erneuten Gesprächen und meinte, man könne doch in der umstrittenen Schulpolitik zusammenkommen. Inhaltlich gibt es aber wenig Neues, Kraft will nicht noch mal mit der CDU sondieren. Eine große Koalition mit Rüttgers kommt für die SPD nicht in Frage.

Ein Rückzug des Regierungschefs wäre für sie aber fast noch schlimmer. Dann hätte auch Hannelore Kraft kaum Argumente mehr gegen ein Bündnis mit der CDU, auch wenn sie als Juniorpartner dann nicht Regierungschefin würde. Für die SPD wäre das wohl der Koalitions-Gau.

Diskutiert wird deshalb auch die Möglichkeit, Rüttgers geschäftsführend im Amt zu belassen und seine Regierung, die keine Mehrheit hat, im Landtag niederzustimmen, bis auch die CDU zu Neuwahlen bereit ist. Es werden lange Wochen in Düsseldorf.

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