Bundesregierung:Risse in der Koalition werden tiefer

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Angela Merkel und Horst Seehofer im November 2015 beim CSU-Parteitag. (Foto: dpa)

Dass Seehofer indirekt droht, Merkel als Kanzlerkandidatin nicht mehr zu unterstützen, ist fast ein Sakrileg. Nach den Landtagswahlen dürfte es mit dem Frieden vollends vorbei sein.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Es sind nur zwei Worte, aber sie offenbaren das Zerwürfnis klarer als alle langen Erklärungen der vergangenen Wochen. Ob die CSU Angela Merkel als Kanzlerkandidatin unterstützen werde, wenn sie bei ihrem Kurs bleibe, wurde Horst Seehofer jetzt im Spiegel gefragt. Der CSU-Chef antwortete lediglich: "Nächste Frage." Seit Konrad Adenauer hat die CSU jeden CDU-Kanzlerkandidaten unterstützt - unter Schwesterparteien ist das eine Selbstverständlichkeit. Wer so etwas in Frage stellt, stellt die Union insgesamt in Frage. Schon die indirekte Drohung, Merkel nicht mehr zur Seite zu stehen, ist nahezu ein politisches Sakrileg. Sogar Helmut Kohl und Franz Josef Strauß haben die Kanzlerkandidaturen des jeweils anderen am Ende unterstützt, obwohl sie sich spinnefeind waren.

Die CSU war zwar schon immer eine Partei des Theaterdonners. Lärm um nichts kann sie wie kaum ein anderer. In den Theatern gab es Donnerpauken, Donnerrinnen, Donnerwagen und allerlei andere eigenartige, aber wirkungsvolle Gerätschaften - die CSU hat ihre Generalsekretäre und Vorsitzenden. Doch diesmal ist es den Christsozialen bitter ernst. Für die Arbeitsfähigkeit der großen Koalition bedeutet das nichts Gutes. Die Gesetzentwürfe zur Leiharbeit, den Werkverträgen und der Erbschaftsteuer hat Seehofer bereits stoppen lassen. Sie sind zu einem Faustpfand im Streit um die Flüchtlingspolitik geworden.

Das Zerwürfnis zwischen Gabriel und Schäuble muss allen Sorgen machen

Auch das Zerwürfnis zwischen SPD-Chef Gabriel und Finanzminister Schäuble muss allen Sorgen machen, die an einer funktionierenden Regierung interessiert sind. Schäuble ist wegen seines Amtes und seiner Anciennität neben den drei Parteichefs die vierte Säule der Koalition. Das Verhältnis zwischen ihm und Gabriel galt bisher als intakt. Vor einem Jahr präsentierten die beiden noch gemeinsam den Bundeshaushalt. Auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise waren sie sich in Sachen Grexit zeitweise näher, als manchem Sozialdemokraten lieb war. Wenn Schäuble jetzt dem SPD-Chef ohne Not "erbarmungswürdiges Gerede" vorwirft, zeigt das, dass es im Koalitions-Quartett nicht nur zwischen Merkel und Seehofer, sondern auch zwischen Gabriel und Schäuble kriselt.

Bisher hat die große Koalition - nicht nur im Vergleich mit der schwarz-gelben Rumpel-Koalition - erstaunlich reibungslos regiert. Es gab zwar regelmäßig öffentliches Getöse, wie im Streit um die Asylpakete. Am Ende wurde aber fast alles im großen Konsens beschlossen. Anders als in Paris oder London ist die Regierung in Berlin noch immer ein Hort der Stabilität. Jetzt zeigen sich aber auch hier Haarrisse.

Konstruktives Regieren wird von nun an immer schwieriger werden

Nach den Landtagswahlen am 13. März dürfte es mit dem Frieden in Berlin vollends vorbei sein. Es ist zwar nicht zu erwarten, dass Merkel oder Gabriel ihre Ämter verlieren. Aber ihre Parteien dürften durch die Wahlergebnisse derart aufgewühlt werden, dass konstruktives Regieren schwer werden wird. Im Kanzleramt hatten sie schon in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen, dass es noch einfacher wäre mit der SPD zu regieren, wenn sie bundesweit bei knapp 30 Prozent stünde - und damit nicht so nervös sein müsste.

Glaubt man den Auguren, wird die SPD in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt bei etwa 16 Prozent landen. Für eine Volkspartei sind das demütigende Werte, die einen scharfen Streit über den Kurs der SPD auslösen werden. In der CDU wird der enorme Aufstieg der AfD für harte Debatten über Merkels Flüchtlingspolitik sorgen, die derzeit wegen der Disziplin christdemokratischer Wahlkämpfer noch gedämpft geführt werden. Und die CSU dürfte bereits am Wahlabend mit gewaltigem Donner erklären, dass die AfD-Ergebnisse beweisen, dass sie mit ihrer Kritik an der Flüchtlingspolitik recht gehabt habe. All das ergibt eine Melange, die nichts Gutes für die Zeit nach dem 13. März verheißt.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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