Demonstrationen:Bundestag verurteilt Protest der "Letzten Generation"

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Ein Polizist löst am Karlsplatz in München die festgeklebte Hand eines Klimaaktivisten. (Foto: Sven Hoppe/DPA)

Sollten Klimaaktivisten, die sich auf Straßen oder in Museen festkleben, härter bestraft werden? Die Abgeordneten debattieren darüber, aber ein entsprechender Antrag der Union scheitert.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Der "Letzten Generation" weht jetzt ein kalter Wind entgegen aus dem Bundestag. "Protest- und Aktionsformen, die geeignet sind, die Sicherheit von Menschen zu gefährden, lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab", schimpft die Grünen-Politikerin Irene Mihalic. Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt warnt erneut vor der "Entstehung einer Klima-RAF" - und wird dafür als Terroristenversteher geschmäht. Ein Redner der FDP spricht von "unerträglicher Hybris" der Demonstrierenden, die sich an Asphalt und Bilderrahmen festkleben. Allein eine Linken-Abgeordnete warnt vor "Kriminalisierung" der Aktivisten.

Donnerstag im Plenum des Bundestags, das Parlament streitet über einen Antrag der Unionsfraktion, der "Strafen für Straßenblockierer und Museumsrandalierer" fordert. Seit eine Radfahrerin in Berlin von einem Betonmischer überrollt wurde und starb, steht die Gruppe "Letzte Generation" unter Rechtfertigungsdruck. Die Aktivisten hatten sich einige Straßenzüge entfernt von der Unfallstelle an einer Autobahnabfahrt festgeklebt, um gegen die drohende Klimakatastrophe zu protestieren. Ein Spezialwagen der Feuerwehr blieb im Stau stecken, der Demonstranten wegen. Ob er zur Rettung der Verunglückten hätte beitragen können, ist umstritten. Ähnlich steht es mit der Frage, ob und wie solche Aktionen bestraft werden sollen.

Die Union fordert bis zu fünf Jahre Haft

Eine Debatte über Legalität und Legitimität selbstklebender Proteste ist da entbrannt. Im Bundestag sortiert sich am Donnerstag aber auch der alte Disput über Widerstand gegen den Staat neu. Es sind nun die Grünen, die der Union eine Verharmlosung terroristischer Verbrechen vorwerfen - und Unionisten und Liberale, die die Bedeutung des Klimaschutzes hervorheben.

"Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist eine zentrale Aufgabe unserer Zeit", betont etwa die CSU-Politikerin Andrea Lindholz. Die "Letzte Generation" aber habe eine "rote Linie" überschritten, der Staat müsse mit härteren Strafen antworten. Straßenblockierern, die Rettungskräfte oder Polizei behindern - oder dies billigend in Kauf nehmen -, sollen neben einer Geldstrafe auch eine Mindestfreiheitsstrafe drohen, fordern CDU und CSU in ihrem Antrag. Besonders schwere Fällen der Nötigung sollen mit drei bis fünf Jahren Haft geahndet werden können, Beschädigung bedeutender Kulturgüter mit mindestens drei Monaten Haft.

Ein populistisches Manöver, kritisiert die ehemalige Strafrichterin und SPD-Abgeordnete Sonja Eichwede im Bundestag. Das "erheblich rücksichtslose Vorgehen der Letzen Generation" werde von Gerichten schon jetzt strafschärfend berücksichtigt. Auch Freiheitsstrafen seien möglich. Die AfD will die "Letzte Generation" verbieten. "Die grüne RAF ist mitten in der Entstehung", warnt der Abgeordnete Thomas Seitz. Den RAF-Vergleich hat Seitz beim CSU-Politiker Alexander Dobrindt entlehnt, der davor warnte, aus Klimaaktionismus könne Terrorismus werden.

Dobrindt bekommt es mit den Grünen zu tun

Im Bundestag bekommt es Dobrindt deshalb am Donnerstag mit den Grünen zu tun. "Sie stellen die Opfer von vorsätzlichem Mord und brutalem Terrorismus in eine Reihe mit Autofahrern, die im Stau stehen. Das kann doch nicht ihr Ernst sein", hält die Parlamentarische Geschäftsführerin Mihalic dem CSU-Abgeordneten vor. Der Vergleich sei unerträglich. Dobrindt möge sich doch mal mit Angehörigen von RAF-Opfern unterhalten.

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Mihalic, die mal Polizistin war, knöpft sich aber auch die Klimaaktivisten vor. Protest dürfe kreativ sei, auch stören, "aber er findet seine Grenzen, wo Leib und Leben gefährdet sind", sagt Mihalic. "Die gefährlichen Aktionen der sogenannten Letzten Generation sind klimapolitisch kontraproduktiv, sie sind rechtsstaatlich hochproblematisch." Einigkeit ist nicht zu erzielen an diesem Donnerstag. Der Antrag der Union wird abgelehnt.

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Von Yannik Achternbosch, Jan Heidtmann (Text) und Friedrich Bungert (Fotos)

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