Bonn (dpa) - Zerstörte Kraftwerke, brennende Wälder und Wohnblocks, die in Schutt und Asche liegen: Mit seinem Angriffskrieg in der Ukraine raubt Russland Menschen ihre Heimat oder sogar ihr Leben. Was der Krieg für das Klima bedeutet, steht seltener im Fokus - dabei sind die Auswirkungen nicht zu unterschätzen.
Eine detaillierte Berechnung internationaler Forscher kommt zu dem Schluss: Allein im ersten Jahr hat der Ukraine-Krieg etwa so viele Emissionen verursacht wie ein Land wie Belgien im gleichen Zeitraum - nämlich 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen-Äquivalente. Das bedeutet, dass die Emissionen anderer klimaschädlicher Treibhausgase - wie etwa Methan - in CO2-Emissionen umgerechnet werden, um besser vergleichen zu können.
Spritverbrauch im Krieg belastet Klima
„Es ist zuallererst natürlich eine menschliche Tragödie“, sagt der federführende niederländische Klimaforscher Lennard de Klerk im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Doch es gibt auch einen großen Umweltschaden.“ Der Wissenschaftler hat in der Vergangenheit bereits in Moskau sowie in Kiew gelebt. Als Russland die Ukraine überfiel, habe er sich die Frage gestellt: Was kann ich tun? Schnell merkte er, dass sich mit dem ökologischen Fußabdruck von Kriegen bislang noch kaum jemand beschäftigt habe - und machte sich an die Arbeit. Bei den UN-Klimaverhandlungen in Bonn wollte er nun an diesem Mittwoch vorstellen, was er mit einem internationalen Team herausgefunden hat.
Die Experten schätzen den Anteil der Emissionen, der durch das direkte Kampfgeschehen verursacht wurde, auf 19 Prozent des Gesamtausstoßes im ersten Kriegsjahr - der Großteil kam durch den Spritverbrauch vor allem russischer, aber auch ukrainischer Truppen zustande. Ähnlich hohe Emissionen entstanden de Klerk und seinen Kollegen zufolge auch durch Feuer, die oft nahe der Frontlinie ausbrechen - der Schätzung zufolge machen sie 15 Prozent aus.
Wiederaufbau verursacht Emissionen
Den größten Teil der Emissionen - nämlich rund 50 Millionen Tonnen - veranschlagt die Berechnung für den Wiederaufbau nach dem Krieg, wenn Kraftwerke, Industrie und Gebäude neu errichtet werden müssen. Der Bausektor, in dem viel Beton verarbeitet wird, gehört generell zu jenen Sektoren mit einem sehr hohen Ausstoß an Treibhausgasen. Darüber hinaus werden in der Rechnung auch die Lecks an den Nordstream-Pipelines sowie die Emissionen berücksichtigt, die Flugzeuge durch ihre weiträumigen Umwege über Asien verursachen, seit die Sanktionen gegen Russland gelten.
Dass die Umweltschäden Tag für Tag größer werden, wird ganz aktuell an der Zerstörung des Staudamms Kachowka deutlich. UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einer menschlichen, aber auch „ökologischen Katastrophe“. Die Trinkwasserversorgung sei gefährdet. Auch der ukrainische Außenminister Dymtro Kuleba warnte, sein Land stehe „vor einer großen humanitären und ökologischen Krise“. So sei etwa das für die Landwirtschaft im Süden der Ukraine wichtige Bewässerungssystem betroffen.
Militär mit dürftiger Datenlage
Der britische Mathematiker Stuart Parkinson, der die Organisation Scientists for Global Responsibility leitet, versucht schon seit Jahren, der Rolle des Militärs für die Klimakrise auf den Grund zu gehen - und stößt dabei immer wieder auf Hürden. „Es gibt riesige Lücken in den Daten“, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Viele Daten sind vertraulich.“ Es sei überfällig, dass sich das Militär auf den Weg Richtung Klimaneutralität mache, denn: „Die Zeitspanne von militärischen Investitionen sind auf Jahrzehnte ausgelegt.“ Die EU, Großbritannien und die USA wollen bis 2050 klimaneutral werden.
„Es ist ein blinder Fleck für alle, die im Bereich Klima forschen“, sagt auch der Niederländer de Klerk. Das Militär habe sich in der Vergangenheit wenig fürs Klima interessiert, obwohl der Klimawandel seine Aktivitäten entscheidend beeinflusse.
Langsam wächst im Militär das Bewusstsein, dass sich auch die Armeen umstellen müssen. Doch der Prozess steht noch am Anfang. Dass Kampfjets oder Panzer in großem Stil mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden können, ist Zukunftsmusik. Vor vier Jahren schlossen sich Militärvertreter und Experten unter anderem aus den USA, Frankreich und den Niederlanden zusammen, um gemeinsam zu erarbeiten, wie das Militär der Klimakrise begegnen sollte.
Sorge bei zu viel Transparenz
In einem im vergangenen Jahr veröffentlichten Bericht stellt die Gruppe, die sich International Military Council on Climate and Security (IMCCS) nennt, fest, dass es bislang überhaupt kein standardisiertes Verfahren gibt, um den Ausstoß von Treibhausgasen bei Armeen überhaupt zu messen. Aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ist das Militär ausgeklammert. Bislang habe es oft auch die Sorge gegeben, zu viel Transparenz könnte Armeen strategisch schwächen.
Die Gruppe ruft Nato und EU auf, zusammenzuarbeiten und gemeinsame Standards zu setzen. Die Nato sei dabei wichtig, um Normen zu etablieren und die EU müsse das Militär verpflichtend in ihren „Green New Deal“ einbeziehen.
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