Im kommenden Jahr stehen deutlich weniger Kitaplätze zur Verfügung als benötigt. Voraussichtlich knapp 384 000 Plätze werden bundesweit fehlen, das geht aus neuen Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung für den bundesweiten Ländermonitor Frühkindliche Bildung hervor. Dabei ist die Versorgungslücke im Westen Deutschlands, wo 362 400 zusätzliche Betreuungsplätze gebraucht werden, weit größer als die im Osten, wo noch 21 200 Plätze fehlen. Um der Nachfrage gerecht zu werden, müssten im Westen 93 700 und im Osten 4900 Fachkräfte eingestellt werden, teilte die Stiftung am Donnerstag mit. Das würde zusätzliche Personalkosten von insgesamt 4,3 Milliarden Euro pro Jahr verursachen.
Die Analyse ergibt für fast alle Bundesländer, dass die Nachfrage der Eltern nach Kitaplätzen die Zahl an Kindern, die im vergangenen Jahr in Betreuung waren, deutlich übersteigt. Der größte Mangel besteht im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 101 600 fehlenden Plätzen. In Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen seien dagegen keine weiteren Plätze nötig. Der Ausbaubedarf ist den Berechnungen zufolge für Kinder unter drei Jahren am höchsten. Seit 2013 haben Eltern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996. Aber auch 2023 werde dieser Rechtsanspruch nicht erfüllt, beklagen die Autoren der Bertelsmann-Studie.
Experte spricht von "Notversorgung"
Mehrere Verbände und Gewerkschaften zeigten sich am Donnerstag empört über die Zahlen und forderten Sofortmaßnahmen gegen den Fachkräftemangel. "Die heute veröffentlichten Ergebnisse zeigen einmal mehr erschreckend deutlich: Die Bildungs- und Betreuungsqualität in den Kitas ist massiv gefährdet, der Mangel an Fachkräften ist eklatant, das Platzangebot reicht bei Weitem nicht aus!", erklärte der Vorsitzende des Verbands für Bildung und Erziehung, Udo Beckmann. Die Personallage in den Einrichtungen entspreche zunehmend einer "Notversorgung", das verstärke die Bildungsungerechtigkeit, sagte er. Es brauche eine Fachkräfteoffensive und bessere Arbeitsbedingungen.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, forderte mehr Anstrengungen von Bund und Ländern. Es müsse für angehende Erzieher in allen Ländern Ausbildungsgehälter geben, sagte er. Die Kommunen könnten die Investitionen nicht alleine schultern.