Katholische Kirche:Missbrauchs-Priester aus dem Klerikerstand entlassen

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Joseph Ratzinger hat 1980 als Erzbischof von München und Freising an einer Sitzung teilgenommen, bei der über Peter H. gesprochen wurde. (Foto: Ludwig Hamberger/dpa)

Peter H. werden Dutzende Fälle von sexuellen Übergriffen vorgeworfen. Die Kirche hat ihn immer nur auf andere Posten versetzt. Eine besondere Rolle spielte dabei Joseph Ratzinger.

Von Annette Zoch, München

Der wegen Missbrauchsvergehen im Bistum Essen und im Erzbistum München und Freising beschuldigte und strafrechtlich verurteilte Priester Peter H. ist von Papst Franziskus aus dem Klerikerstand entlassen worden. Das teilte das Bistum Essen am Montag mit. H. hatte selbst um diesen Schritt gebeten. Im Rahmen eines laufenden kirchenrechtlichen Verfahrens habe der Vatikan H. die Rechtsbelehrung erteilt, dass er angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe die Entlassung aus dem Priesterstand beantragen könne, so das Bistum. Davon hat H. jetzt Gebrauch gemacht und ist damit einer förmlichen kirchenrechtlichen Bestrafung zuvorgekommen.

Etwa 30 Betroffene werfen H. Übergriffe vor. H. soll sich an mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern an Minderjährigen vergangen haben. Er war unter anderem Gegenstand eines Sonderbands des Münchner Missbrauchsgutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), das im Januar dieses Jahres vorgestellt worden war. H. war bereits in seinem Heimatbistum Essen übergriffig geworden und dann ins Erzbistum München und Freising versetzt worden, wo er weitere Taten beging. Eine besondere Rolle im Fall H. spielte der emeritierte Papst Benedikt XVI., der damalige Münchner Erzbischof Kardinal Joseph Ratzinger.

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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. wird 95 Jahre alt. Inzwischen lebt er zurückgezogen im Kloster. Dort wolle er nur schweigen und beten, hatte er bei seinem Papst-Rücktritt angekündigt. Das hat nicht ganz geklappt.

Von Annette Zoch

Er hatte den Münchner Gutachtern gegenüber zunächst bestritten, an der entscheidenden Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen zu haben, in der es um die Aufnahme des pädophilen Essener Priesters ins Erzbistum München und Freising ging. Die Gutachter nannten dies damals "wenig glaubwürdig" und präsentierten das Protokoll eben jener Sitzung, in der Ratzinger zitiert wird. Später musste Benedikt XVI. seine Angabe öffentlich korrigieren. Mit dem Fall H. war neben Ratzinger, dem ihm nachfolgenden Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter und seinem Essener Heimatbischof Franz-Josef Overbeck auch der amtierende Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx befasst.

"Jetzt hat er Anspruch auf Rente", sagt ein Betroffener

Die Süddeutsche Zeitung hatte den Fall H. im Jahr 2010 enthüllt. Overbeck hatte H. die Ausübung der priesterlichen Dienste untersagt und ihn 2020 zurück nach Essen beordert. Seitdem lebte er dort kontrolliert und unter diversen Auflagen. Die Laisierung eines Priesters, also die Entfernung aus dem Klerikerstand, gilt als kirchenrechtlich höchste Strafe.

"Das hat unglaublich lange gedauert", sagte Wilfried Fesselmann der SZ. Fesselmann war im Alter von elf Jahren in Essen von Peter H. missbraucht worden, er hatte die Aufarbeitung des Falls entscheidend mit ins Rollen gebracht. "Ich sehe den Schritt mit gemischten Gefühlen. Denn eigentlich ist es für ihn von Vorteil, er wird jetzt nicht mehr beaufsichtigt. Angeblich hat das Bistum Essen ja auch sein Gehalt gekürzt, aber jetzt hat er Anspruch auf Rente", sagte er nun.

Essens Bischof Overbeck teilte dem Vatikan mit, er sehe die Laisierung des heute 74-Jährigen "nicht ohne Sorge". Wenn H. nicht mehr zum Klerus gehöre, "werden diese Bemühungen in dem Umfang, wie es jetzt geschieht, auf Dauer nicht weitergeführt werden können". Es gelte nun, einen verantwortlichen Übergang zu gestalten, so Simon Friede, Interventionsbeauftragter des Ruhrbistums. Das Bistum ist dazu mit H. im Gespräch. H. unterliegt allerdings keiner kirchlichen Weisungsbefugnis mehr.

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