Katholische Kirche:"Segnung zweiter Klasse"

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Der katholische Theologe und Kirchenrechtler Thomas Schüller leitet das Institut für Kanonisches Recht der Universität in Münster. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Was der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Erklärung des Vatikans hält, die es Priestern nun erlaubt, gleichgeschlechtliche und unverheiratete Paare zu segnen.

Von Andrea Bachstein

SZ: Herr Schüller, am Montag kam überraschend die Erklärung des Vatikanischen Dikasteriums für die Glaubenslehre, dass in der katholischen Kirche gleichgeschlechtliche und unverheiratete Paare gesegnet werden dürfen. Wie ist der Schritt zu bewerten?

Thomas Schüller: Es ist kein großer Schritt, an der Lehre der Kirche hat sich nichts geändert. Die Ehe zwischen Mann und Frau bleibt für sie die einzige Form, in der sie Sexualität erlaubt. Aber es ist ein kleiner Öffnungsschritt, und das ist definitiv neu. Zum ersten Mal in der Lehrgeschichte der Kirche werden damit positive Elemente in 'irregulären' Beziehungen gewürdigt, das sittlich Gute in ihnen, die Liebe darin wird anerkannt. Noch 2021 hatte dasselbe Dikasterium ausgeschlossen, dass es einen solchen Schritt je geben könnte.

Kardinal Víctor Fernández, ein Vertrauter von Papst Franziskus, hat in der Erklärung Fiducia supplicans mehrmals unterstrichen, dass solche Paare in 'irregulären' Beziehungen stehen und die Form des Segens das deutlich machen muss.

Es handelt sich um eine bewusst pastorale Entscheidung und eine Art Barmherzigkeit, die die katholische Kirche Paaren erweist, die sich einen Segen sehr wünschen. Die Erklärung betont, dass ein solcher Segen nicht im Kirchenraum stattfinden solle und ohne eine festgelegte liturgische oder rituelle Form. Es soll keinerlei Anklang an Eheschließungen geben, auch keine zeitliche oder räumliche Nähe.

Könnte man das als eine Art Segen zweiter Klasse auslegen?

Das hat eine diskriminierende Note. Betroffene erleben das sogar als hochgradig diskriminierend, die Segnung soll spontan erfolgen, en passant, könnte man sagen. Es ist eine Segnung zweiter Klasse.

Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sagt nun, die Erklärung gebe geweihten Amtsträgern die nötige Handlungssicherheit. Das Dokument aus Rom enthält aber eher vage Anweisungen. Bleibt die Auslegung dem Priester überlassen?

Franziskus war mutig mit diesem Schritt, aber nicht sehr. Er hat es vermieden, irgendetwas zu formalisieren, und so bleibt es den Seelsorgern überlassen, wie sie damit umgehen. Es soll für die Segnung gleichgeschlechtlicher und unverheirateter Paare keine liturgische Form geben, kein definiertes Ritual. Die Erklärung gibt im Grunde keine Handlungsanweisung für die Priester in den Gemeinden. Das ist aber lebensfern. Es wird besonders schwierig für Priester, die zu den Skrupulanten zählen, die also zweifeln, ob oder wie weit sie die strenge Lehre dehnen dürfen, wie sie mit Paaren umgehen müssen, deren Beziehung für die Kirche als irregulär gilt. In Deutschland etwa oder in Holland und Belgien gibt es längst Formen für die Segnung homosexueller Paare. Aber im Grunde bewegt sich alles weiter in einem Graubereich.

Was kommt damit auf die Gemeinden zu?

Es wird zu einem freien Spiel der liturgischen Kräfte kommen. Was das in der kirchlichen, seelsorgerischen Praxis bedeutet, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Ich erwarte einen Kulturkampf in der katholischen Kirche zwischen reformerischen und konservativen Kräften. Ihr könnte das Schicksal drohen wie der anglikanischen Kirche, deren Abspaltung ja Fragen wie Zölibat und Wiederverheiratung ausgelöst haben.

Wie wird es in der Weltkirche weitergehen?

Ob dieser erste Schritt einer Öffnung der Kirche zu einer toleranteren Haltung zu unverheirateten und gleichgeschlechtlichen Paaren führt, ob sie weitergeht in diese Richtung, das entscheidet sich voraussichtlich nicht während des Pontifikats von Franziskus, sondern unter seinem Nachfolger. Und man muss sehen, dass die Bischöfe und Kardinäle der Kirchen in den USA, in Afrika, Asien und Ozeanien ablehnen, was sie mit einem dekadenten, westlichen Lebensstil verbinden. Diese Kirchen sind sehr konservativ, besonders im Vergleich zur Kirche in Deutschland.

Die hat bei ihrem Reformprojekt Synodaler Weg bereits beschlossen, dass sie das Segnen gleichgeschlechtlicher und unverheirateter Paare anbieten will.

Für den Synodalen Weg in Deutschland ist die Erklärung aus Rom endlich eine kleine Bestätigung seiner Reformarbeit. Nachdem der Papst seit vielen Monaten auf alles, was der Synodale Weg entwickelt hat, mit Verbotsschildern geantwortet hat, kommt aus dem Vatikan nun ein Zeichen für freie Fahrt.

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