Katholische Kirche:Bischof von Trier muss Nachhilfe in Datenschutz nehmen

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Gegen Bischof Stephan Ackermann läuft ein Schmerzensgeldprozess, weil er den Klarnamen einer von sexuellem Missbrauch betroffenen Frau genannt hat. (Foto: Harald Tittel/DPA)

Katholische Datenschützer rügen Stephan Ackermann, weil er das Pseudonym einer Missbrauchsbetroffenen gelüftet hat. Der Geistliche wird zur Nachschulung verdonnert. Das dürfte sein kleinstes Problem sein.

Von Annette Zoch

Stephan Ackermann muss zur Nachschulung in Sachen Datenschutz. Dazu hat den Trierer Bischof das Katholische Datenschutzzentrum Frankfurt verdonnert. Das wäre noch keine Nachricht, wenn es nicht ausgerechnet um einen Vorgang ginge, der seit mehr als einem Jahr immer wieder Aufsehen erregt und derzeit auch vor Gericht verhandelt wird.

Im März 2022 hatte Ackermann, damals noch Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, das Pseudonym einer Betroffenen aus seinem Bistum gegen deren Willen aufgedeckt. Die Nennung des Klarnamens hat nun erste rechtliche Folgen: Das Katholische Datenschutzzentrum hat einer Beschwerde der Frau, die das Pseudonym Karin Weißenfels verwendet, stattgegeben.

Die Bistumsleitung habe Weißenfels in ihren Rechten aus dem Datenschutz verletzt, bestätigte die zuständige Datenschutzbeauftragte Ursula Becker-Rathmair der SZ. Man werde keine Rechtsmittel einlegen, sondern den Anordnungen Folge leisten, teilte das Bistum Trier der SZ mit. Dazu gehöre die besagte Schulung "zu datenschutzrechtlichen Fragen unter besonderer Berücksichtigung von Verschwiegenheitsverpflichtungen und deren strafrechtlicher und strafprozessrechtlicher Relevanz sowie der Regelungen im Hinweisgeberschutzgesetz". Außerdem muss das Bistum der Datenschutzaufsicht weitere Dokumente vorlegen, darunter "das vollständige Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten für die Tätigkeiten des Bischöflichen Generalvikariates".

Wegen der Nennung des Klarnamens läuft ein Schmerzensgeldprozess

Die Entscheidung fällt mitten hinein in einen Schmerzensgeldprozess, in dem Ackermann voraussichtlich am 6. September vor dem Arbeitsgericht Trier erscheinen muss. Die Klägerin: Karin Weißenfels. Verhandelt wird ebenjene Nennung des Klarnamens.

Was war überhaupt passiert? Im März 2022 hatte Stephan Ackermann eine Reihe von Online-Hearings mit Mitarbeitenden des Bistums zum Thema sexueller Missbrauch veranstaltet. In einem dieser virtuellen Hearings diskutierten 30 bis 40 Personen unter anderem über den Umgang mit Tätern aus dem Bistum.

Auf einer der dabei erstellten Folien tauchte auch der Name jenes Priesters auf, der Weißenfels Ende der 80er-Jahre in der Beichte gedrängt haben soll, das von seinem besten Freund gezeugte gemeinsame Kind abzutreiben. Dieser Freund wiederum war Pfarrer im Bistum Trier und der Vorgesetzte von Karin Weißenfels. Er hatte sie, eine damals sexuell unerfahrene, emotional und dienstlich abhängige Gemeindereferentin, jahrelang sexuell missbraucht.

Die Unabhängige Aufarbeitungskommission des Bistums Trier hatte den sexuellen Missbrauch im vergangenen Jahr offiziell anerkannt. Bereits 2020 hatte die Gemeindereferentin ihre Geschichte in dem Buch "Erzählen als Widerstand" erstmals öffentlich gemacht, allerdings unter ihrem Pseudonym. Auch danach ist sie nie öffentlich unter ihrem Klarnamen aufgetreten.

Die Betroffene sagt, die Enthüllung habe sie erneut traumatisiert

Bischof Stephan Ackermann soll in dem Hearing, als er die entsprechenden Täternamen las, sinngemäß gesagt haben: Wenn nun schon Namen genannt würden, nenne er auch den von Karin Weißenfels. Teilnehmer des Hearings seien entsetzt gewesen. Ackermann unterzeichnete anschließend eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Karin Weißenfels sagt, die Klarnamensnennung habe sie erheblich retraumatisiert.

Neben dem Schmerzensgeldprozess strengte sie deshalb auch ein Beschwerdeverfahren vor dem Katholischen Datenschutzzentrum an. Die katholische Kirche hat als Religionsgemeinschaft ein verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Selbstverwaltung, deshalb darf sie auch datenschutzrechtliche Belange selbst regeln, im sogenannten Katholischen Datenschutz-Gesetz (KDG). Die Einhaltung wird von mehreren Datenschutzzentren überwacht, für das Bistum Trier zuständig ist das in Frankfurt am Main.

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Gut möglich, dass der Entscheid des Katholischen Datenschutzzentrums nun auch im Schmerzensgeldprozess Weißenfels gegen Ackermann vor dem Arbeitsgericht eine Rolle spielt. Das Gericht ist deshalb zuständig, weil Weißenfels immer noch Angestellte des Bistums ist, allerdings seit Jahren freigestellt. Das Gericht hatte einen Vergleich vorgeschlagen: Ackermann und das Bistum sollten Weißenfels 10 000 Euro zahlen, weitere 5000 Euro sollten an eine Opferschutzorganisation gehen. Das zeigen Gerichtsunterlagen, die der SZ vorliegen.

Die Anwälte Ackermanns hatten diesen Vergleich zunächst abgelehnt und eine Schmerzensgeldzahlung an Bedingungen geknüpft: Unter anderem sollte Weißenfels ihre Beschwerde vor dem Datenschutzzentrum fallen lassen. Davon sind Ackermanns Anwälte laut der Gerichtsunterlagen zwischenzeitlich wieder abgerückt und wollten dem Vergleichsvorschlag in der ursprünglichen Form doch zustimmen. Das will nun Karin Weißenfels nicht mehr. Unter anderem, weil sie sich in ihrer Position durch die nun vorliegende Entscheidung des Datenschutzzentrums bestätigt sieht.

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