Nahost-Konflikt:Katar will sich vom Westen nicht unter Druck setzen lassen

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Außenministerin Annalena Baerbock sprach Ende vergangenen Jahres in Riad mit ihrem katarischen Kollegen Mohammed bin Abdulrahman al-Thani über die Lage in Israel und Gaza. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Kritik von US-Politikern an der Rolle des Emirats im Nahost-Konflikt kommt in Doha schlecht an. Die Herrscher kündigen an, die Vermittlungsversuche zwischen Israel und der palästinensischen Hamas zu überdenken - und senden eine Warnung nach Washington.

Von Dunja Ramadan

Die Stimmung kippte schon Anfang der Woche. Am Dienstagabend postete die katarische Botschaft in Washington ein ziemlich langes Statement auf der Plattform X, wo sonst eher Ramadangrüße verschickt oder Politikertreffen dokumentiert werden. Man habe "mit Interesse" die Aussagen des Kongressabgeordneten Steny Hoyer bezüglich der Verhandlungen im Gazakrieg gelesen, sei allerdings "überrascht angesichts seiner Drohung, die Beziehungen der USA zu Katar neu zu bewerten".

US-Demokrat Steny Hoyer, der übrigens noch älter als US-Präsident Joe Biden ist- nämlich 84 -, hatte zuvor mehr Druck auf die Hamas gefordert, die keinen vorübergehenden, sondern einen endgültigen Waffenstillstand will. Als Konsequenz solle Katar deren Finanzierung streichen oder deren Büros in Doha schließen. Die katarische Botschaft reagierte mit einem süffisanten Verweis: Die Vermittlerrolle Katars bestehe nur deshalb, "weil wir 2012 von den Vereinigten Staaten gebeten wurden, diese Rolle zu übernehmen, da Israel und Hamas sich bedauerlicherweise weigern, direkt miteinander zu sprechen".

Man teile zwar die Frustration darüber, dass bislang noch kein Durchbruch in den Verhandlungen erreicht wurde, um die verbliebenen israelischen Geiseln zu befreien. Doch "dem Vermittler die Schuld zu geben und ihn zu bedrohen", sei allerdings "nicht konstruktiv, insbesondere wenn es sich bei dem Ziel um einen Freund und wichtigen Nicht-Nato-Verbündeten handelt, der derzeit 10 000 US-Soldaten beherbergt und Amerikas größte Militärpräsenz im Nahen Osten hat".

Auch Israels Premier Netanjahu fordert mehr Druck auf Katar

Mit diesem Statement, das Washington noch einmal an Katars strategisch wichtige Position erinnern soll, reagierte Doha auf die immer lauter werdenden Stimmen in den USA. Wenige Tage zuvor hatte sich der Republikaner Ted Budd bereits ähnlich geäußert. Auch aus Israel kommen immer wieder solche Forderungen. Nicht zuletzt Premier Benjamin Netanjahu pochte darauf, den Druck auf Katar weiter zu erhöhen, damit das Emirat verstärkt auf die Hamas einwirke.

Seit Monaten laufen die Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg und die Freilassung der Geiseln, die bei dem Hamas-Massaker am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt wurden. Ohne Erfolg. Die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen wird international kritisiert. Zwar betont Katar, dass es die Hamas "nicht kontrolliere" und dass sowohl Israel als auch die Hamas "die alleinige Verantwortung für das Zustandekommen einer Einigung tragen". Doch ob Doha all seine milliardenschweren Hebel in Bewegung gesetzt hat, um den Druck auf die Hamas zur Freilassung der israelischen Geiseln zu erhöhen, ist fraglich. Andererseits zeigten die vergangenen Wochen auch den begrenzten Einfluss von US-Präsident Biden im Umgang mit Israels Premier Benjamin Netanjahu, der immer noch auf die umstrittene Offensive auf die Grenzstadt Rafah drängt.

All das führte nun dazu, dass Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman al-Thani am Mittwoch vor der Presse in Doha ähnliche Worte wie der betagte US-Demokrat Hoyer wählte, auch Katar wolle seine eigene Vermittlerrolle nun "völlig neu bewerten". Pressekonferenzen gibt es in der Erbmonarchie Katar alles andere als täglich, umso gewichtiger fallen sie aus, wenn sie denn mal stattfinden.

Das Emirat fühlt sich "ausgenutzt und missbraucht"

So sagte al-Thani, der auch Außenminister des Landes ist, die Rolle Katars werde "ausgenutzt und missbraucht" durch "Politiker, die versuchen, Wahlkampf zu machen, indem sie den Staat Katar schlecht machen". Dies habe Katar dazu veranlasst, "seine Rolle völlig neu zu bewerten, und wir befinden uns derzeit in dieser Phase". Man stehe zwar zu seiner Rolle "aus einem humanitären Kontext heraus", aber dieser Rolle seien Grenzen gesetzt.

Auch wenn aus den USA immer wieder kritische Stimmen zur Rolle Katars zu hören sind, ist die offizielle Gangart eine andere. Erst Anfang des Jahres hat die US-Regierung unter Biden stillschweigend eine Vereinbarung mit Katar getroffen, um ihre Militärpräsenz auf dem US-Stützpunkt Al Udeid um weitere zehn Jahre zu verlängern. Die Basis wurde 1996 in die katarische Wüste gebaut, etwa 30 Kilometer von der Hauptstadt Doha entfernt. Von hier aus starteten US-Kampfflugzeuge zu verschiedenen Einsätzen: von 2001 an nach Afghanistan, 2003 in den Irak und zuletzt 2014 nach Syrien, um etwa Luftschläge gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) zu verüben. Verteidigungsminister Lloyd Austin besuchte Al Udeid erst im vergangenen Dezember, um die ",bilateralen Verteidigungsbeziehungen auszubauen und zu stärken". Er dankte Katar für seine erhöhten Investitionen in den Stützpunkt. In Krisenzeiten sei Katar für Gespräche da, sagte Austin.

Für das kleine Emirat, das sich 2017 mit seinen Nachbarn überworfen hat, ist die US-Präsenz auch eine Art Existenzgarantie. Mit Iran teilt sich Katar das größte Gasfeld der Welt. Die Sandwichposition zwischen den verfeindeten Regionalmächten Iran und Saudi-Arabien brachte Katar immer wieder in Bedrängnis. Solange die Amerikaner ihren größten US-Stützpunkt im Nahen Osten in Katar aufrechterhalten, kommt den Herrschern am Golf eine besondere Bedeutung zu. Katar reagiert auch deshalb so harsch, weil solche Forderungen aus den USA dieses Sicherheitskonzept infrage stellen.

Erst 2022 hatte US-Präsident Joe Biden Katar als wichtigen Nicht-Nato-Verbündeten eingestuft. Das ermöglicht Doha, Rüstungsgeschäfte und andere Wirtschaftsdeals leichter abzuschließen.

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