Karlheinz Schreiber:Die Macht und das Geld

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Von wegen, ein Prozess gegen Schreiber hat nur noch juristische, aber keine politische Bedeutung mehr. Das Verfahren ist hochaktuell - denn es geht darin auch um die Lauterkeit von Politik.

Heribert Prantl

Es gibt in Deutschland an die zehntausend Kläranlagen; sie arbeiten mit mechanischen, biologischen und chemischen Verfahren; sie sorgen dafür, dass die Gesellschaft nicht in ihrem Dreck erstickt. Es gibt freilich auch Kläranlagen, die mit juristischen Verfahren arbeiten; sie sorgen dafür, dass die Demokratie nicht in ihrem Dreck erstickt. Die wichtigste juristische Kläranlage ist derzeit das Landgericht Augsburg.

Karlheinz Schreiber: Das Strafverfahren gegen ihn sollte zum Nachdenken anregen - zum Beispiel über den Übergang von Lobbyismus zur Korruption. (Foto: Foto: ddp)

Der Strafprozess gegen den Ex-Waffenlobbyisten und Schmieranten Karlheinz Schreiber funktioniert, wenn es gut geht, wie die dritte Stufe eines großen Reinigungsprozesses. Stufe null war die Einstellung des Strafverfahrens gegen Ex-Kanzler Kohl wegen Untreue gegen Zahlung einer Geldbuße.

Stufe eins war das Verfahren und das Urteil gegen Holger Pfahls, den früheren Rüstungsstaatssekretär der Regierung Kohl. Stufe zwei die Verurteilung zweier Thyssen-Manager und der Freispruch von Max Strauß. Stufe drei ist nun der Prozess gegen Karlheinz Schreiber, gegen die zentrale Figur des CDU-Spendenskandals.

Alte Geschichten? Alte Geschichten! Aber gleichwohl stimmt es nicht, dass dieser Prozess keine politische, sondern nur noch juristische Bedeutung hat.

Dieses Strafverfahren ist hochpolitisch, selbst dann, wenn es im Bundestags-Wahlkampf keine Rolle spielen mag. Es geht in diesem Verfahren nämlich um die Läuterung und die Lauterkeit von Politik. Gewiss: Die Gefährdungen der Politik sind heute andere als zu Kohls Zeiten, sie sehen heute nicht mehr so aus wie der wieselige Windbeutel Schreiber. Aber es gibt diese Gefährdungen nach wie vor, viel subtiler und noch gefährlicher.

Der Prozess gegen den alten Schreiber mag Anlass sein zum Nachdenken: Die alte Korruption bestand darin, dass Lobbyisten ihre Interessen am Gesetz vorbei mit viel Geld durchsetzten. Die neue Korruption besteht womöglich darin, dass sich die Lobbyisten die Gesetze gleich selber machen - und sich das auch noch gut bezahlen lassen, weil sie das in Gestalt von hochseriösen und hochspezialisierten Anwaltskanzleien ganz offiziell im Auftrag von Ministerien tun. Immer mehr (vor allem Wirtschafts-)Gesetze werden in Anwaltskanzleien ausgearbeitet. Tritt hier an die Stelle der alten pausbäckigen Schreiber'schen Kumpanei nun professionelle Kollusion zum Schaden des Gemeinwohls?

Sicherlich ist richtig, dass die im Schreiber-Prozess angeklagten Machenschaften lange zurückliegen - fünfzehn, zwanzig Jahre. Es ist auch der Hinweis nicht falsch, dass die alte politische Garde überwiegend abgetreten ist.

Aber immerhin: Nicht nur Wolfgang Schäuble, auch Roland Koch und Franz Josef Jung sind noch im Amt. Roland Koch, der hessische CDU-Ministerpräsident, und Franz Josef Jung, der jetzige CDU-Verteidigungsminister, steckten im immer noch ziemlich ungeklärten hessischen Spendensumpf.

Nun geht es im Augsburger Prozess gegen Schreiber nicht oder allenfalls am Rande um die kriminellen Manipulationen in Hessen. Aber das Meta-Thema in diesem Strafprozess ist die Aufrichtigkeit und die Glaubwürdigkeit von Politik - und die Beweisaufnahme könnte die sachverständige Analyse ihrer Gefährdung und Zerstörung werden.

Ziel eines Strafprozesses ist die Bestrafung des Täters. Zu diesem Zweck muss geklärt werden, ob der Angeklagte der Täter war und was er in welchem Umfang getan hat. Das ist in Stufe eins und zwei der Verfahren schon einigermaßen vorgeklärt worden: Schreiber könnte wohl schon aufgrund der gerichtsfesten Erkenntnisse in den Verfahren gegen Pfahls und gegen die Thyssen-Manager verurteilt werden.

Es geht nun aber um die Dimensionen seines Handelns. Da ist noch zu viel ungeklärt, als dass man auf eine umfassende Beweisaufnahme verzichten könnte. Die Aussagen des Angeklagten Schreiber wird man dabei mit spitzen Fingern anfassen müssen; um die eigene Haut zu retten, wird er erzählen, was ihn entlastet und andere belastet.

Wie eng war der Zusammenhang zwischen den Geldern des Waffenhändlers an die CDU/CSU einerseits und der Lieferung von Panzern nach Saudi-Arabien im Jahr 1991 andererseits? Kohl hat einst jegliche Kausalität geleugnet. Aber allein die Tatsache, dass im zeitlichen Zusammenhang mit nicht deklariertem Spendengeld umstrittene Panzerlieferungen genehmigt wurden, war und ist Skandal genug. Der Ruch, der solchem Geld anhaftet, verpestet die Politik. Der Prozess soll nun den Täter dafür strafen und, auch das ist Zweck von Strafe, andere potentielle Täter, Lobbyisten wie Politiker, abschrecken.

Zugleich kann sich das Strafverfahren als Lehrstunde für die Demokratie erweisen - wenn es aufdeckt, wie Lobbyismus in Korruption übergeht; wenn es zeigt, wie es gelingen kann, Politiker erst geneigt und dann gefügig zu machen; wenn es dekuvriert, wie aus kumpaneihaften Umgangsformen kriminelle Strukturen werden; wenn es entlarvt, wie sich Geld in der Politik Bahn bricht.

Shakespeare lässt seinen Sir John Falstaff einen trefflich wahren Satz sagen: "Geld ist ein guter Soldat, mein Herr, und macht sich Bahn." Die Bahnen ändern sich, aber die Zwecke bleiben die gleichen. Um diese Zwecke dreht sich der anstehende Augsburger Strafprozess.

© SZ vom 05.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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