Kanzlerkandidatur:Merkel und die CDU - passt das noch zusammen?

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Angela Merkel während dem Parteikongress der CDU in Essen. (Foto: AFP)

Erst will die Partei, dass ihre Chefin im nächsten Jahr wieder als Kanzlerin antritt. Dann lehnt sie sich gegen sie auf. Zeit für eine Grundsatzfrage.

Kommentar von Nico Fried

Viel erstaunlicher, als man denkt, ist die CDU. Da bereitet sie ihrer Vorsitzenden eine unerfreuliche Niederlage und will ihr hinterher auch noch vorschreiben, wie sie damit umzugehen hat. Das ist ungefähr so, wie wenn man jemandem eine Bierflasche über den Kopf haut und angesichts der Scherben noch von ihm verlangt, das Pfand zu bezahlen.

Geschehen ist das beim Beschluss zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft auf dem CDU-Parteitag. Zwei Getreue von Angela Merkel, der Generalsekretär und der Bundesinnenminister, hatten den Delegierten vorher gesagt, dass sie den Vorschlag für inhaltlich sinnlos und politisch aussichtslos halten. Trotzdem nahm ihn eine Mehrheit an.

Danach ging Merkel vor die Fernsehkameras und sagte, dass sie den Beschluss für inhaltlich sinnlos und politisch aussichtslos halte. Und sie beantwortete den deutschen und türkischstämmigen Bürgern die Frage, was nun daraus werde: nichts. Das aufzuklären, ist ihre Aufgabe als Kanzlerin.

CDU-Parteitag in Essen
:Merkel klärt ihr Verhältnis zur CDU

Die Kanzlerin bleibt, wie sie ist. Aber auf dem Parteitag in Essen gibt sie der Partei auch, was diese will. Mehr Härte. Und wird dafür mit einem fast einwandfreien Wiederwahl-Ergebnis belohnt.

Von Thorsten Denkler

Trotzdem ist die Empörung groß

Manch ein Christdemokrat findet, Merkel hätte wenigstens diplomatischer zu ihrer Partei sein können. Tatsächlich gibt es, abgesehen vom künftigen Bundespräsidenten, in der deutschen Politik niemanden, der so verquast reden kann wie Merkel. Wenn sie nichts Konkretes sagen will, sagt sie auch nichts (was eher die Regel als die Ausnahme ist). Sie hätte es also gekonnt. Aber offensichtlich wollte sie es nicht. Sie hatte etwas mitzuteilen.

Merkels Auftritte an und seit dem Tag, an dem sie ihre erneute Kandidatur verkündet hat, waren sicher nicht besonders kraftvoll. Ihr Programm ist noch erschreckend konturlos. Die Kanzlerin schlurft eher so durch den Alltag, als dass sie den politischen Raum entschlossenen Schrittes durchmisst. Aber eines kann man ihr nicht absprechen: Merkel hat der CDU ehrlich gesagt, woran die Partei mit ihr ist; sie hat ihre Unsicherheit über eine vierte Kandidatur auf eine politisch leicht angreifbare Weise offengelegt; sie hat in Essen mit einem Appell ihre Schwäche sogar unmissverständlich eingestanden: Ihr müsst mir helfen.

Es ist übrigens bemerkenswert, dass außerhalb der CDU viele, die Merkel oft für ihr Zögern gescholten haben, ihr ausgerechnet das Zaudern über ihre Zukunft nicht abnehmen. Es ist interessant, dass manche Kritiker jede Menge Gründe nennen können, warum Merkel nicht mehr antreten sollte, es aber nicht für möglich halten, dass auch sie selbst diese Gründe abgewogen haben könnte. Zweifel an Merkel gelten als schlau, ihre eigenen Zweifel aber nur als Show.

Die Grenzen der CDU

Der CDU hat Merkel nun auch ehrlich gesagt, wo ihre Grenze liegt. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Partei von einer Kandidatur ausging, wird nicht damit entgolten, dass die Kanzlerin alles tut, was die CDU verlangt. Die Partei wollte Merkel an der Spitze, obwohl sie mit ihrer Flüchtlingspolitik kreuzunglücklich ist. Die Kanzlerin hat mit ihren Zugeständnissen längst ihre Glaubwürdigkeit riskiert. Der Antrag zum Ende der doppelten Staatsbürgerschaft war eins zu viel.

Mit dem Auftritt danach hat Merkel ihre Zweifel der CDU übergeben. Sie hat selbst für die nächsten Wochen jene Frage aufgeworfen, vor der sich die Partei aus Bequemlichkeit bislang gedrückt hat. Sie lautet: Liebe CDU, passen wir wirklich noch zusammen?

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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