Kabinett - Magdeburg:Mehr Zulauf für Rechtsextremisten und "Reichsbürger" im Land

Kabinett - Magdeburg: Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) spricht während einer Pressekonferenz. Foto: Ronny Hartmann/dpa/Archivbild
Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) spricht während einer Pressekonferenz. Foto: Ronny Hartmann/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Magdeburg (dpa/sa) - Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz hat den Rechtsextremismus erneut als größte Bedrohung der Demokratie ausgemacht. Das geht aus dem neuen Bericht der Behörde hervor, den Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) und Verfassungsschutzchef Jochen Hollmann am Dienstag in Magdeburg vorgestellt haben. Rechtsextremisten und Angehörige der "Reichsbürger"- und Selbstverwalterszene hätten im vergangenen Jahr versucht, Proteste gegen die Eindämmungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie für die Verbreitung ihrer verfassungsfeindlichen Ideologien zu instrumentalisieren, sagte Zieschang.

Von den 3100 Extremistinnen und Extremisten in Sachsen-Anhalt gehören insgesamt 1250 der rechtsextremistischen Szene an. Die weiteren Punkte des Verfassungsschutzberichts 2021:

Neue rechtsextremistische Zusammenschlüsse: In Sachsen-Anhalt haben sich 2021 mehrere neue rechtsextremistische parteiungebundene Personenzusammenschlüsse etabliert. Laut Verfassungsschutz haben sich diese Gruppen auch an Versammlungen gegen Corona-Eindämmungsmaßnahmen beteiligt. Beispielhaft genannt wurden die "Harzrevolte", die "Neue Stärke Magdeburg" und die "Aktionsgruppe Dessau/Bitterfeld". Aus der Magdeburger Gruppierung ist den Angaben zufolge inzwischen mit der "Neue Stärke Partei" (NSP) eine rechtsextremistische Partei hervorgegangen. Auch Funktionäre der neonazistischen Partei "Der III. Weg" haben sich an Kundgebungen beteiligt.

"Reichsbürger" und Selbstverwalter: Ende 2021 gehörten der "Reichsbürger"- und Selbstverwalterszene insgesamt 600 Menschen an und damit 100 mehr als im Vorjahr. "Einer der Gründe dürfte hierfür die Pandemie sein", sagte Hollmann. "Reichsbürgern" sei es im vergangenen Jahr verstärkt gelungen, zu Kundgebungen zu mobilisieren. Außerdem habe das "Königreich Deutschland" mit Sitz in Wittenberg um Gründer Peter Fitzek neue Anhänger rekrutiert. Die Gemeinschaft treibe aktuell den Aufbau autarker Gemeinden im Rahmen sogenannter "Dorfprojekte" sowie die Errichtung eines eigenen Bankensystems voran und sei nun auch in Sachsen aktiv.

Verschwörungsideologen: Im Zuge der Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hat der Verfassungsschutz zahlreiche verfassungsfeindliche Bestrebungen erfasst, die in den sozialen Medien bewusst Falschinformationen verbreiten. Außerdem würden Repräsentanten des Staates bedroht. Die Protagonisten können nicht den klassischen Bereichen Rechts- oder Linksextremismus oder Islamismus zugerechnet werden. Die Behörde hat deshalb den neuen Bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" eingerichtet. Insgesamt gibt es in dieser Szene laut Hollmann eine starke Affinität zu Verschwörungsideologien und starkes Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen. Innenministerin Zieschang sagte, sie gehe davon aus, dass die Menschen auch andere Themen als die Pandemie nutzen würden, um verfassungsfeindlich zu agieren.

Linksextremismus: Der linksextremistischen Szene werden 600 Angehörige zugerechnet, etwa so viele wie im Vorjahr. Der gewaltorientierte Linksextremismus sei zuletzt durch militante Aktionen im Bereich Antifaschismus in Erscheinung getreten. Es gebe zudem Versuche, die Klimaschutz-Bewegung zu unterwandern und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. So hat laut den Verfassungsschützern beispielsweise die autonome Szene in Halle versucht, Demonstrationen von "Fridays for Future" als Plattform für ihre Propagierung einer Überwindung des politischen Systems zu nutzen. In der Altmark sei die Besetzung des Losser Forstes nahe Seehausen linksextremistisch beeinflusst.

Desinformation: Der Verfassungsschutz warnt vor sogenannten hybriden Bedrohungen, die das politische System destabilisieren sollen. Autokratische Staaten wie Russland oder China würden mit Desinformationskampagnen gezielt versuchen, Politik und Gesellschaft zu beeinflussen. Ziel sei es, das Vertrauen in staatliche Institutionen zu senken, sagte Hollmann. Als Beispiel führte er Versuche des russischen staatlichen Auslandssenders RT an, die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt als manipuliert darzustellen. Hollmann geht zudem davon aus, dass die Zahl der Cyberangriffe künftig zunehmen werde.

© dpa-infocom, dpa:220614-99-661056/3

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