USA:"Trump ist wenigstens ehrlich darüber, dass er Migranten hasst"

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Joe Biden, hier mit einer Studentengruppe, muss mehr junge Wähler von sich überzeugen. Der älteste Präsident in der Geschichte der USA wäre am Ende einer möglichen zweiten Amtszeit 86 Jahre alt. (Foto: Susan Walsh/AP)

Joe Biden will die US-Einwanderungspolitik deutlich verschärfen - und handelt sich damit ein neues Problem ein. Schon ist von einem "Erdbeben" die Rede - während Trump seine ständigen Hitler-Zitate nicht schaden.

Von Fabian Fellmann, Washington

Joe Biden fällt es zunehmend schwer, seine Anti-Trump-Koalition zusammenzuhalten. Das liegt nicht nur an seinem fortgeschrittenen Alter von 81 Jahren, das drei Viertel der Wahlberechtigten als ein Problem bewerten. Vielmehr bekundet der US-Präsident Mühe damit, die gegenläufigen Interessen in seiner zusammengewürfelten Wahlallianz zu bedienen. Nur ein Drittel der Wahlberechtigten ist etwa noch damit einverstanden, wie sehr Biden Israel im Gaza-Krieg unterstützt. Vor allem Junge und muslimische Amerikaner wenden sich deswegen von ihm ab.

Nun drohen in den Tagen vor Weihnachten weitere wichtige Gruppen Biden ihre Unterstützung zu entziehen. Gegen sich aufgebracht hat der US-Präsident etwa Delia Ramirez, demokratische Abgeordnete aus Illinois, einem der alten Industriestaaten im Rust Belt, den Biden 2020 noch deutlich gegen Trump gewann. Sie könne nicht eine Kampagne für einen Kandidaten führen, der nicht die Rechte von Migranten stärke, sagte sie am Montag zu CNN.

Laut "New York Times" ein "Erdbeben"

Biden allerdings schickt sich gerade an, das Gegenteil zu tun. An seinem ersten Tag als Präsident hatte er dem Kongress noch eine Migrationsreform geschickt, um "Menschlichkeit und amerikanische Werte in unser Einwanderungssystem zurückzubringen". Statt legale Zugangswege zu Asyl auszubauen und die Bedingungen zu lockern, wie er damals vorgeschlagen hatte, bereitet Biden jetzt aber eine Verschärfung der Migrationspolitik vor, die im Urteil der New York Times einem "Erdbeben" gleichkommt.

Darauf drängen die Republikaner seit Monaten vergeblich, doch derzeit besitzen sie ein Pfand, mit dem sie Biden gefügig machen wollen. Sie weigern sich, ein Finanzierungspaket von 112 Milliarden Dollar zu genehmigen, das Hilfsgelder für die Ukraine, Israel und Taiwan enthält. Zustimmen wollen sie nur, wenn die Demokraten dem Bündel eine Reform der Migrationspolitik nach republikanischem Gusto hinzufügen.

Der Präsident sagt, er sei zu "signifikanten Konzessionen" bereit

Nach langem Zögern hat Biden seine Leute vor Kurzem angewiesen, im Capitol einen Kompromiss auszuhandeln mit den Republikanern. Er sei zu "signifikanten Konzessionen" bereit, sagte er. Unter anderem ist er bereit, die Kriterien zu verschärfen, mit denen die Behörden beurteilen, ob ein Migrant im Herkunftsland an Leib und Leben bedroht ist. Zudem sollen die Beamten Migranten an der Grenze einfacher zurück nach Mexiko schicken können.

Die Gespräche verlaufen zäh, obwohl die Zeit drängt: Die Ukraine ist auf weitere Überweisungen aus den USA angewiesen, um sich dem Angriff Russlands weiterhin entgegenstellen zu können. "Auf keinen Fall" werde eine Lösung vor den Feiertagen bereit sein, sagte der Republikaner John Thune, einer ihrer Anführer im Senat.

"Trump ist wenigstens ehrlich darüber, dass er Migranten hasst"

Dennoch geraten Progressive bereits in Rage. Die demokratischen Latino-Vertreter im Kongress verlangten eine Aussprache mit dem Weißen Haus; Bidens Stabschef Jeff Zients gelang es am Samstag jedoch nicht, die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen. Auch in den sozialen Medien äußern sich Progressive wütend. Der auf Migration spezialisierte Journalist Pablo Manríquez etwa schrieb: "Ich kann mir ehrlich nicht vorstellen, warum jemand Joe Biden wählen würde. Trump ist wenigstens ehrlich darüber, dass er Migranten hasst."

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Donald Trump hat bei Kampagnenanlässen in den vergangenen Tagen gleich mehrfach Nazi-Rhetorik verwendet. Unter anderem sagte er: "Einwanderer vergiften das Blut unseres Landes", eine Anlehnung an die Hetze gegen Juden und Andersdenkende von Adolf Hitler. Trumps zahlreiche Hitler-Zitate in den vergangenen Wochen schaden ihm in Umfragen indes keineswegs. In der Gunst der Befragten führt er derzeit gegen Joe Biden, dessen Werte im Dezember einen Tiefststand erreichten: Nur knapp 37 Prozent sind mit seiner Amtsführung zufrieden. Markant abgerutscht sind seine Zahlen bei der Migration. Nur noch 38 Prozent der Wähler sagen, sie seien damit einverstanden, wie Biden das Dossier handhabt.

Allerdings wird Biden keineswegs nur von links kritisiert. Der demokratische Senator John Fetterman aus Pennsylvania etwa, der mit seiner Uniform aus Shorts und Kapuzenpulli ein Arbeiterimage kultiviert, brach vergangene Woche mit den Progressiven in seiner Partei. Es sei "vernünftig", über den Schutz der Südgrenze zu reden. Im September hatten die Behörden dort über 270 000 Migranten angehalten, eine Rekordzahl. "Das ist die Größe von Pittsburgh, der zweitgrößten Stadt in Pennsylvania", sagte Fetterman, ohne explizit auszusprechen, dass er diese Zahl für zu hoch halte.

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Auf knapp unter 200 000 sank die Zahl der angehaltenen Migranten in den Monaten Oktober und November. Doch auch damit sind die amerikanischen Behörden überfordert, nicht nur in den Grenzstaaten, sondern auch in den demokratisch regierten Städten im Norden, dem Ziel vieler Migranten. Verschärfungen in der Asylpolitik sind deswegen zunehmend auch bei gemäßigten demokratischen und unabhängigen Wählern populär. Indem Biden nun die Migrationspolitik verschärft, trägt er diesen Bedenken Rechnung; dafür verliert er auf der linken Seite Aktivisten, auf die er in der Präsidentschaftskampagne dringend angewiesen sein wird. Einen ähnlichen Spagat vollbrachte auch Barack Obama, der deutlich mehr Migranten abschieben ließ als sein Vorgänger George W. Bush. Allerdings startete Obama mit weniger miserablen Werten in seine Wiederwahl als Biden, zudem hatte er mehr Vorschusslorbeeren bei progressiven und afroamerikanischen Wählern - und er war nicht 81 Jahre alt.

Klar ist jedenfalls, dass Migration eines der bestimmenden Themen des Wahlkampfs 2024 werden wird. Daran arbeiten die Republikaner nach Kräften, auch in Texas. Am Montag unterschrieb Gouverneur Greg Abbott, der bereits Stacheldraht und Bojensperren auslegen ließ, ein neues Gesetz. Es erlaubt lokalen Polizeikräften, Migranten ins Gefängnis zu stecken, und texanischen Richtern, diese auszuweisen. Eigentlich ist diese Kompetenz den Bundesbehörden vorbehalten, ein langer Rechtsstreit ist programmiert.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir geschrieben, dass die Abgeordnete Delia Ramirez aus Michigan sei. Das ist falsch. Sie ist Repräsentantin für den dritten Kongressbezirk von Illinois.

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