Japan und Südkorea:Inselmentalität

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Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol (l.) und Fumio Kishida, japanischer Ministerpräsident, nach einer gemeinsamen Pressekonferenz. (Foto: Kiyoshi Ota/DPA)

Südkoreas Präsident hat in kurzer Zeit das Verhältnis zu Japan verbessert. Versöhnt sind die beiden Länder deshalb noch lange nicht - wie ein neuer Streit um einen winzigen Archipel zeigt.

Von Thomas Hahn, Tokio

Japans Premierminister Fumio Kishida ist diese Woche in Afrika. Die Mission steht im Dienste der G 7, der Gruppe der sieben bedeutendsten, freiheitlichen Industrienationen, deren Vorsitz Japan dieses Jahr innehat. Kishida will Zeichen setzen gegen den Einfluss Russlands und Chinas auf dem Kontinent. Beim Stopp in Ghana versprach er deshalb Finanzhilfen von rund 500 Millionen US-Dollar, umgerechnet 455 Millionen Euro, über die kommenden drei Jahre für Frieden und Stabilität in Afrika. Es ging also um viel. Trotzdem musste Kishida feststellen, dass einige im Medientross eine andere Reise mindestens genauso interessierte. Die nach Südkorea nämlich, zu der Kishida planmäßig am Sonntag aufbricht.

Kishida stand also in Accra und redete über Seoul: Die Visite dort sei "eine gute Gelegenheit, offen Meinungen auszutauschen über Wege, das Verhältnis zwischen Japan und Südkorea zu entwickeln". Er deutete damit an: Der Gesprächsbedarf der Nachbarn ist groß.

Südkorea erreicht man von Japan aus nach einem kurzen Flug. Aber im diplomatischen Sinne ist die Reise dorthin weiter als nach Afrika. Daran hat auch die jüngste Charmeoffensive des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol nicht viel geändert, ohne die Premierminister Kishida vermutlich keine Seoul-Reise geplant hätte. Denn zwischen 1910 und 1945 war Korea von Japan besetzt. Aus dieser Zeit sind Verwundungen geblieben, die Südkoreas nationale Identität prägen, von denen Japan aber eigentlich nichts mehr hören will.

Mit den USA will man ein Dreigespann gegen China und Nordkorea bilden

Der Konflikt bestimmte die Beziehung in den vergangenen Jahren. Von 2011 an waren gegenseitige Besuche von Regierungschefs ausgesetzt. Während der Präsidentschaft des liberalen Nationalisten Moon Jae-in von 2017 bis 2022 wurde das Verhältnis noch schlechter. Koreaner, die während der Besatzungszeit gegen ihren Willen für japanische Firmen gearbeitet hatten, klagten 2018 vor Südkoreas Oberstem Gerichtshof erfolgreich auf Entschädigung. Japans konservative Regierung akzeptierte das nicht. Handelsbeziehungen waren gestört, der Sicherheitsdialog stockte.

Bis der neue konservative Präsident Yoon in diesem März verschlug, eine koreanische Stiftung solle die Entschädigungszahlungen übernehmen. Jetzt besteht sogar wieder die Aussicht auf eine sogenannte Shuttle-Diplomatie, also regelmäßige Besuche auf höchster Ebene. Yoon war im März in Tokio. Kishidas Seoul-Besuch steht bevor. Mit den USA will man ein Dreigespann gegen die Bedrohung aus China und Nordkorea bilden. Alles gut also?

So einfach ist es nicht. Nach Yoons Vorschlag gab es Proteste in Seoul. Viele in Südkorea finden, der Präsident habe Koreas historischen Schmerz an den Ex-Besatzer verkauft. Und nun zeigt ein neuer Austausch von offiziellen Beschwerdeschreiben, dass Tokio und Seoul weiterhin Probleme miteinander haben. Es geht um die sogenannten Liancourt-Felsen, einen winzigen Archipel im Meer zwischen Japan und Südkorea. Beide Länder beanspruchen die Inseln für sich. Südkorea nennt sie Dokdo, Japan Takeshima. Beide verweisen auf historische Dokumente und dulden keinen Zweifel.

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Am Dienstag nun reiste der Oppositionspolitiker Jeon Yong-gi von der Demokratischen Partei (DP) mit einer Gruppe junger DP-Mitglieder zu den Felseninseln. Das Außenministerium in Tokio reagierte prompt: Jeons Besuch auf Takeshima sei "gänzlich unakzeptabel und äußerst bedauerlich". Das Außenministerium in Seoul wies die Beschwerde am Mittwoch als "ungerechtfertigte Forderung" zurück; man bleibe dabei, dass Dokdo zu Südkorea gehöre. Der DP-Politiker Jeon schimpfte auf Facebook, Japans Beschwerde sei "eine eindeutige Verletzung der Souveränität".

Yoon Suk-yeol scheint solche Konflikte auszublenden. Am Mittwoch teilte ein Sprecher mit, der Präsident habe den leitenden japanischen Sicherheitsfunktionär Takeo Akiba empfangen und dabei die gemeinsamen Werte betont. "Im Laufe der Shuttle-Diplomatie" werde sich die Freundschaft entwickeln. Aber die Skepsis bleibt. Ostasien-Experten wie Daniel Sneider von der Stanford-Universität finden die Freundschaftsbemühungen zu einseitig. In der Korea Times sagt er: "Ich würde mir wünschen, dass Premierminister Kishida sich klar zu Japans Kriegs- und Kolonialverbrechen äußert." Das allerdings ist auf der zweitägigen Seoul-Visite nicht zu erwarten. Kishida darf es sich mit seinen rechten Parteifreunden zu Hause nicht verscherzen. Und die finden, dass Japan sich bei Korea längst ausreichend entschuldigt hat.

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