Erinnerungskultur:Meisterwerke unterm Ehebett

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Dieses Bild konnte nicht vor dem Raub bewahrt werden: Tizians "Danae" landete bei Göring im Schlafzimmer und kehrte erst 1947 nach Italien zurück. (Foto: IMAGO/Heritage Images)

In abenteuerlichen Aktionen wurden wertvolle Gemälde im Zweiten Weltkrieg vor den Bomben und raffgierigen Nazi-Größen in Sicherheit gebracht. Eine packende Ausstellung in Rom dokumentiert die Rettung von Italiens Kunstschätzen.

Von Ulrike Sauer, Rom

Wozu erfinden? Wenn die Wirklichkeit doch die blühendste Fantasie übertrifft. Stoff für eine fesselnde TV-Serie liefert jetzt ein Museum in Rom. Auf dem Quirinalshügel zeigt die Ausstellung "Befreite Kunst" erstmals, wie eine Gruppe tatkräftiger Männer und Frauen im Zweiten Weltkrieg in einer geheimen Operation Tausende italienischer Kunstwerke vor den Bomben und vor der Raffgier von Adolf Hitler und Hermann Göring in Sicherheit gebracht hat.

Nicht nur der Plot der großen Schau "Arte liberata 1937 /1947" in den Scuderie del Quirinale ist packend. Auch die Schauplätze faszinieren. Aus Museen, Kirchen und Palästen transportierten die stillen Helden die wertvollsten Stücke ab. Versteckt wurden die Kisten in der Renaissance-Festung Sassocorvara bei Urbino, im Palazzo Falconieri in Carpegna und in der Benediktinerabtei Montecassino. Zum Schluss dann, als es nach der italienischen Kapitulation 1943 nur noch einen sicheren Ort gab: im Vatikan.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Retter. Einer Schlüsselfigur der Operation begegnet man im zweiten Saal der Schau: Pasquale Rotondi, Anfang 30, Kunsthistoriker und zupackender Direktor der Galleria Nazionale von Urbino. Er bringt in einem Wettlauf gegen die Zeit mehr als 10 000 Kunstwerke aus Urbino, Mailand, Venedig und Rom in Sicherheit. Anfangs noch im Auftrag des faschistischen Kulturministers in Rom, der zwar Befehle gibt, aber kein Geld. Unter der deutschen Besatzung dann auf eigene Faust.

In besonders dramatischen Momenten, die Wehrmacht hat sich 1943 auch in Urbino einquartiert, versteckt Rotondi aus Venedig eingetroffene Gemälde von Giorgione, Mantegna und Tintoretto unterm Ehebett. Aufgewühlt verbringt er mit seiner Frau Zea, die ebenfalls Kunsthistorikerin ist, schlaflose Nächte. Rotondis Tagebuch ist gespickt mit Thriller-Momenten.

Viele Menschen setzten ihr Leben aufs Spiel. Fernanda Wittgens, die Direktorin der Mailänder Kunstsammlung Brera, steuert selbst den Lastwagen, mit dem sie die Meisterwerke von Raffaello bis Caravaggio, nach Carpegna über den Apennin karrt. Palma Bucarelli, die wie eine Filmdiva aussah und die Galleria d'Arte Moderna in Rom leitete, transportierte Gemälde nachts in ihrem Fiat Topolino zu den Verstecken.

Die Schau, die noch bis 10. April läuft, zeigt mehr als hundert Meisterwerke. Sie werden mit Fotos, historischen Dokumenten und Filmaufnahmen verwoben. Auftakt und Abschluss bilden zwei von den Nazis erbeutete Werke. Der römische Diskuswerfer stand als Symbol "arischer Schönheit" auf Platz eins der Wunschliste Hitlers. Die Marmorstatue wurde 1937 nach München gebracht, in der Glyptothek ausgestellt und erst 1948 nach Rom zurückgeschickt. Tizians 1943 gestohlenes Nacktbild "Danae" landete bei Göring im Schlafzimmer. Es kehrte 1947 nach Neapel zurück und beendet die Schau über zehn Jahre "Befreite Kunst".

Interessant ist, wie schwer der neuen Rechtsregierung Italiens offenbar der Umgang mit der Vergangenheit fällt. Gennaro Sangiuliano, seit drei Monaten postfaschistischer Kulturminister, würdigt in seinem Vorwort zum Katalog zwei Seiten lang die "noblen Gesten" der Protagonisten. Vor wem sie das Kulturerbe gerettet haben, das erwähnt der Minister nicht. In seinem Plot fehlen: die Schurken.

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