Debatte über Waffenlieferungen:Italiens Außenminister tritt aus Partei Cinque Stelle aus

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Italiens Außenminister Luigi Di Maio ist nach Querelen in seiner Partei aus der Fünf-Sterne-Bewegung ausgetreten. (Foto: dpa)

Die in Rom mitregierenden Cinque Stelle zerreißen sich - vordergründig wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine. Außenminister Luigi Di Maio bricht nun mit seiner Partei.

Von Oliver Meiler, Rom

Die Lage ist gravierend, aber ist sie auch ernst? Das alte Bonmot aus der italienischen Politik hatte mal wieder all seine Berechtigung, als sich der Senat der Republik am Dienstag anschickte, Mario Draghi zu empfangen. Bis zuletzt war nicht klar, ob sich seine breite Regierungsmehrheit - sie umfasst von der rechten Lega über die Cinque Stelle bis zu den Postkommunisten beinahe alle Parteien - über Italiens Waffenlieferungen an die Ukrainer einigen kann. Zumindest sollte es so wirken: Nur Stunden vor dem Termin gab es einen Krisengipfel, die Medien schickten Eilmeldungen. Die Tageszeitung La Repubblica zum Beispiel pushte folgende Zeile auf die Handys ihrer Leser: "Waffen für Kiew: Kurzschluss in der Regierung." Als stehe Draghi kurz vor dem Sturz.

Italiens Premier war vorgeladen, damit er vor seinen internationalen Terminen in Brüssel und Elmau, Europarat und G 7, über die Position des Landes referiert. Die ist zwar allen klar, sie steht auch in einem Gesetzesdekret, das von der gesamten Koalition der nationalen Einheit gutgeheißen wurde: Darin steht unter anderem, dass Italien der Ukraine bis zum 31. Dezember Waffen liefern kann, wenn Kiew darum bittet.

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Auch die Lega und Forza Italia haben dafür gestimmt, obwohl ihre beiden Anführer, Matteo Salvini und Silvio Berlusconi, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seit Langem sehr nahe stehen: Salvini als Fan, Berlusconi als Freund. Sie sind Putiniani, wie man in Italien zu den Putin-Verstehern sagt, obschon sie das jetzt natürlich nicht mehr so offen bekunden würden.

Auch die Fünf Sterne haben für Draghis Dekret gestimmt, und das war doppelt wichtig: Seit ihrem Wahlsieg 2018 stellen sie die mit Abstand größten Fraktionen in den Parlamentskammern; in ihren Reihen und unter ihren Wählern gibt es viele Rüstungsgegner und sogenannte Pazifisten. Draghi überzeugte sie mit dem Votum, die Ukrainer sollten selbst entscheiden können, welchen Frieden sie einmal wollten, und dafür müssten sie sich jetzt gegen den Aggressor verteidigen können.

Die Zerrissenheit aber blieb, sie zieht sich quer durch die arg geschrumpfte Partei, auch durch deren oberste Hierarchiestufe. Und weil die Italiener im kommenden Jahr ein neues Parlament wählen werden, geht es der Führung nicht nur um ihre Position zum Krieg in der Ukraine, über die debattiert werden sollte, sondern bereits um erste Botschaften an die Wählerschaft.

Giuseppe Conte gegen Luigi Di Maio - am Ende bleibt nur einer übrig

Zwei Lager haben sich gezofft bei den Sternen, scheinbar unversöhnlich. Eines steht hinter Giuseppe Conte, dem früheren Premier Italiens, seit vergangenem Sommer Capo politico der Partei. Er spricht für den orthodoxen Flügel der Cinque Stelle, den Ur-Flügel. Das ist einigermaßen kurios, weil der süditalienische Anwalt, vom Naturell her eher ein Christdemokrat, überhaupt erst seit letztem Sommer ein eingeschriebenes Mitglied der Bewegung des Komikers Beppe Grillo ist. Conte hat es bisher trotz seiner persönlichen Beliebtheit im Volk nicht geschafft, den Niedergang der Partei zu stoppen: In den Umfragen stehen die Cinque Stelle noch bei etwa 13 Prozent, 20 Prozentpunkte unter dem Wahlergebnis vor vier Jahren. Bei den jüngsten Gemeindewahlen sind sie völlig eingebrochen. Conte braucht dringend eine Trendwende, wie auch immer.

Ausgerechnet in dieser Phase stellt sich sein Amtsvorgänger und einstiger Förderer Luigi Di Maio quer. Italiens Außenminister, ein Grillino der ersten Stunde und mittlerweile Draghiano, hat Conte ziemlich unverblümt vorgeworfen, dass er die Partei in den Boden fahre. Er sagte auch, Conte verwirre die Wähler mit seiner halbherzigen Unterstützung der europäischen, transatlantischen Linie zum Krieg in der Ukraine. Nach der Attacke stand die Partei kurz davor, Di Maio rauszuwerfen, beließ es dann aber bei einer Ermahnung. Der junge Di Maio trat am Dienstagabend schließlich selbst aus, er will eine neue Partei namens "Insieme per il futuro" (Gemeinsam für die Zukunft) gründen, die sich dann einmal einem ebenfalls neuen Lager im Zentrum anschließen würde.

"Heute verlassen ich und viele andere Kollegen die Fünf-Sterne-Bewegung. Wir verlassen das, was morgen nicht mehr die erste Kraft im Parlament sein wird", sagte der 35-jährige Di Maio am späten Dienstagabend in Rom.

Im Showdown zwischen Conte und Di Maio schwingen auch persönliche Animositäten mit, und das ist selten ein bekömmlicher Mix in der Politik. In Italien hieß es deshalb, am Ende werde nur einer von beiden übrig bleiben. Auch mit Draghi kann es Conte nicht so gut. Doch der amtierende Premier blieb bisher immer recht gelassen, wenn sein Vorgänger versuchte, ihn zu bremsen. Denn vorzeitige Wahlen scheinen auch die unzufriedenen Cinque Stelle nicht zu wollen - nicht jetzt, nicht in dieser Verfassung.

Im Vorfeld von Draghis Auftritt im Parlament hatte Conte zuerst gefordert, dass Italien die Waffenlieferungen an die Ukraine einstelle, dann, dass wenigstens über neuerliche Waffenlieferungen abgestimmt würde. Beide Forderungen gab er bald auf, weil ihm niemand folgte. Geblieben ist eine Resolution, in der die Regierung aufgefordert wird, in Zukunft das Parlament in dieser Sache mehr einzubeziehen. Damit können alle leben. Und Italien bleibt auf Kurs.

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