Israel:Warum Verteidigungsminister und Justizminister ihre Parteien zusammenschließen

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Israel befinde sich in seiner "größten demokratischen, nationalen und politischen Krise", sagt Benny Gantz. Ein Indiz: Es steht die fünfte Wahl binnen dreieinhalb Jahren an. (Foto: Jack Guez/AFP)

Als "patriotische Rechte" wollen Gantz und Saar aus dem Zweikampf zwischen Netanjahu und Lapid einen Dreikampf machen - und nach der Wahl im Herbst den Premier stellen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Vor der Neuwahl am 1. November kommt Bewegung in Israels Parteienlandschaft. Um ihre Schlagkraft zu erhöhen, haben sich nun zwei bisherige Koalitionspartner aus dem Mitte-rechts-Lager zusammengeschlossen: das Bündnis Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz und die Partei Neue Hoffnung von Justizminister Gideon Saar. Ihre gemeinsame Liste soll sie bei der späteren Regierungsbildung in eine zentrale Position bringen und Gantz eine Option auf das Amt des Premierministers eröffnen. Mit reichlich Optimismus verkündete er bereits bei Bekanntgabe des Zusammenschlusses: "Heute legen wir den Grundstein für die nächste Regierung."

Die neue Gruppierung soll ihren Gründern zufolge als "patriotische Rechte" auftreten. Ihr Auftrag wird als Rettungsaktion formuliert, da Israel sich "in der größten demokratischen, nationalen und politischen Krise seiner Geschichte" befinde, wie Gantz erklärte. Als ein Indiz dafür wird die nun nötig gewordene fünfte Parlamentswahl innerhalb von nur dreieinhalb Jahren gesehen.

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Klar abgrenzen wollen sich Gantz und Saar gegen "Extremisten". Gemeint sind damit in erster Linie die offen rassistisch auftretenden Religiösen Zionisten, mit deren Hilfe Oppositionsführer Benjamin Netanjahu von der Likud-Partei auf eine Rückkehr an die Macht hofft. Als Alternative propagieren Gantz und Saar eine "Regierung der Einheit", die in der von scharfen Gegensätzen geprägten israelischen Gesellschaft Brücken bauen soll. Ausdrücklich als Partner genannt wurden von Gantz "Ultra-Orthodoxe, Religiöse, Säkulare, Muslime, Christen, Drusen und Juden".

Gantz und Saar verbindet eine persönliche Gegnerschaft zu Netanjahu. Saar hatte seinetwegen vor der Wahl 2021 mit einigen Gleichgesinnten den Likud verlassen und eine eigene Partei gegründet. Gantz hatte bei drei Wahlen in den Jahren 2019 und 2020 vergeblich versucht, Netanjahu abzulösen - und sich dann von ihm in eine Koalition locken lassen. Netanjahu hat es ihm auf üble Weise vergolten, indem er ihn als wankelmütigen Weichling vorführte und schließlich die Koalition platzen ließ, bevor Gantz wie in einem Rotationsabkommen vereinbart zum Regierungschef aufrücken konnte.

In Israel kann man auch mit wenigen Mandaten Premier werden

Mit dem neuen Zusammenschluss hofft Gantz nun darauf, seinen alten Traum vom Premiersamt doch noch erfüllen zu können. Das neue Bündnis fordert damit nicht nur Netanjahu und den Likud heraus, sondern auch den Übergangspremier Jair Lapid. Der prognostizierte Zweikampf zwischen den Rechten um Netanjahu und den Liberalen um Lapid soll so zu einem Dreikampf werden.

In Umfragen liegt der Likud weit vorn mit bis zu 36 der insgesamt zu vergebenden 120 Parlamentssitze. Auf dem zweiten Rang rangiert Lapids Zukunftspartei mit rund 20 Mandaten. Erste Umfragen sehen das neue Bündnis von Gantz und Saar bei ungefähr 15 Sitzen. Das ist nicht viel mehr als die Summe der bisherigen Einzelteile: Blau-Weiß hält derzeit acht, Neue Hoffnung sechs Mandate. Doch zum einen setzt man auf die positive Dynamik des Zusammenschlusses. Zum anderen hat Naftali Bennett nach der vorigen Wahl vorgemacht, wie man bei geschickter Positionierung auch mit wenigen Mandaten zum Premierminister avancieren kann.

Lapid begrüßte den Zusammenschluss seiner beiden Kabinettskollegen. "Ich bin überzeugt, dass sie gute Absichten haben", erklärte er auf Twitter und versicherte, dass er "zum Wohl der israelischen Bürger" gern weiter mit ihnen zusammenarbeiten wolle. Netanjahus Likud kommentierte die neue Herausforderung nur knapp mit dem polemischen Hinweis: "Wir mischen uns nicht darin ein, wie die Linke ihre Stimmen verteilt."

Bis zur Wahl sind nun noch weitere Zusammenschlüsse denkbar - im linken Lager zum Beispiel zwischen Arbeitspartei und Meretz. Letztere sind davon bedroht, allein an der 3,25-Prozent-Hürde für den Parlamentseinzug zu scheitern.

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